DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. nicht tariffähig

Das Bundesarbeitsgericht hat gestern in einem Rechtsbeschwerdeverfahren entschieden, dass die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV) nicht tariffähig ist. Selbst bei Zugrundelegung der Angaben der DHV könne nicht prognostiziert werden, dass diese in ihrem eigenständig bestimmten Zuständigkeitsbereich über die notwendige mitgliedervermittelte Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den sozialen Gegenspielern verfügt, heißt es in dem Beschluss.

Zahl der organisierten Arbeitnehmer entscheidend

Tarifverträge kann nur eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung schließen. Das setzt laut BAG voraus, dass die Vereinigung über eine Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite und eine hinreichende organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des beanspruchten Zuständigkeitsbereichs verfügt. Diese soziale Mächtigkeit werde regelmäßig durch die Zahl der organisierten Arbeitnehmer vermittelt.

Tarifzuständigkeit der DHV im Wandel

Die im Jahr 1950 als Gewerkschaft der Kaufmannsgehilfen neu gegründete DHV verstand sich nach ihrer 1972 geltenden Satzung als eine Gewerkschaft der Angestellten im Handel, in der Industrie und dem privaten und öffentlichen Dienstleistungsbereich; seit 2002 als eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer in Bereichen, die durch kaufmännische und verwaltende Berufe geprägt sind. Nach mehreren weiteren Änderungen des Organisationsbereichs erstreckt sich ihre Tarifzuständigkeit auf der Grundlage einer im November 2014 beschlossenen Satzung nunmehr auf Arbeitnehmer in unterschiedlichsten Bereichen, so unter anderem private Banken und Bausparkassen, Versicherungsgewerbe, Einzel- und Binnengroßhandel, Krankenhäuser in privatrechtlicher Rechtsform, Rettungsdienste, Deutsches Rotes Kreuz, Fleischwarenindustrie, Reiseveranstalter, Textilreinigung, Einrichtungen der privaten Alten- und Behindertenpflege sowie IT-Dienstleistungsunternehmen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte.

Feststellung der "Nichttariffähigkeit" verlangt

Die DHV verfügt – nach eigenem Bekunden – über 66.826 Mitglieder, die in ihrem satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich beschäftigt sind. Dieser erfasst nach Angaben der DHV um die 6,3 Millionen Arbeitnehmer, was einem Gesamtorganisationsgrad von etwa 1% entspricht. In den einzelnen Zuständigkeitsbereichen schwankt ihr Organisationsgrad zwischen ungefähr 0,3% (kaufmännische und verwaltende Berufe bei kommunalen Arbeitgebern) und 2,4% (Versicherungsgewerbe). In einem unter anderem von den Gewerkschaften IG Metall, ver.di und NGG eingeleiteten Beschlussverfahren haben diese die – zuletzt auf die Zeit ab dem 21.04.2015 bezogene – Feststellung begehrt, dass die DHV nicht tariffähig ist.

BAG hält DHV für nicht tariffähig

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch das BAG mit Beschluss vom 26.06.2018 (NZA 2019, 188) und Zurückverweisung der Sache an das LAG Hamburg hat dieses festgestellt, dass die DHV auf der Grundlage ihrer letzten Satzung seit dem 21.04.2015 nicht tariffähig ist (BeckRS 2020, 11653). Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde der DHV hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Kein Herleiten der Tariffähigkeit aus der Satzung

Das BAG stellte fest, dass die gebotene Gesamtwürdigung ergebe, dass selbst bei Zugrundelegung der Angaben der DHV nicht prognostiziert werden könne, dass diese in ihrem eigenständig bestimmten Zuständigkeitsbereich über die notwendige mitgliedervermittelte Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den sozialen Gegenspielern verfüge. Die DHV könne ihre soziale Mächtigkeit auch nicht aus ihrer Teilnahme am Tarifgeschehen auf der Grundlage ihrer aktuellen Satzung herleiten.

BAG, Beschluss vom 22.06.2021 - 1 ABR 28/20

Redaktion beck-aktuell, 23. Juni 2021.