Eilige Gründung
Ein Betriebsrat versuchte die Arbeitgeberin aus der Branche des Dialogmarketings vor Gericht zu zwingen, ihn am Abschluss eines Sozialplans zu beteiligen. Hintergrund war die am 22.06.2018 angekündigte Stilllegung des Betriebs für Ende August. Der Nachricht folgte direkt die Kündigung der meisten Arbeitsverhältnisse. Innerhalb von fünfzehn Tagen gründeten und wählten die Arbeitnehmer daraufhin eine Interessenvertretung. Deren Wunsch, bei den Entscheidungen über die Abwicklung des Unternehmens mit am Tisch zu sitzen, wurde allerdings ignoriert. Eine vom Arbeitsgericht eingesetzte Einigungsstelle erklärte sich für unzuständig. Auch sonst waren die Bemühungen der Arbeitnehmervertreter nicht von Erfolg gekrönt: Das ArbG Frankfurt a.M. wies ihren folgenden Feststellungsantrag ab. Das LAG Hessen bestätigte dies. Im Ergebnis hatte die Entscheidung auch vor dem BAG Bestand.
Richtiger Zeitpunkt verpasst
Die Erfurter Richter konnten sich allerdings nicht mit der Ansicht des LAG anfreunden, das Mitbestimmungsrecht sei durch die Anrufung der Einigungsstelle bereits ausgeübt worden. Das Problem sahen sie in einem grundlegenderen Punkt: Mit der Kündigung der Mitarbeiter habe das Unternehmen seinen Worten Taten folgen lassen und die Betriebsänderung eingeleitet. Die Bundesrichter verwiesen auf die eigene frühere Rechtsprechung ihres Senats, wonach ein in diesem Stadium erstmals in einer Firma gegründeter Betriebsrat insoweit keine Mitbestimmungsrechte mehr habe. Schon nach dem Wortlaut gehe es bei der verpflichtenden Beteiligung nur um "geplante" Betriebsänderungen, deren Umsetzung noch nicht begonnen habe. Dieses Ergebnis bedurfte aus Sicht des 1. Senats auch nicht der Korrektur: Da es der Belegschaft jederzeit frei stünde, einen Betriebsrat zu gründen – das Gesetz gehe hiervon sogar als Regelfall aus – könne man nicht von einem Wettlauf zwischen Angestellten und Leitung sprechen.