Die Belegschaftsvertretung eines Entsorgungsdienstleisters wollte sicherstellen, dass dieser seine diversen Pflichten zugunsten von Schwerbehinderten im Unternehmen erfüllt – und auch von jenen Beschäftigten, die das Gesetz ihnen gleichstellt (also jenen, die nur einen "Grad der Behinderung von 30" haben und nicht von 50). Um den Bedenken des Arbeitgebers entgegenzukommen, hatte die Belegschaftsvertretung ein umfangreiches Datenschutzkonzept erstellt. Doch das Management wollte die Informationen nicht herausrücken.
Umfangreiches Datenschutzkonzept
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Begehren des Betriebsrats nun statt (BAG, Beschluss vom 09.05.2023 – 1 AZR 14/22). Der hatte festgelegt, dass nur sein Vorsitzender oder – bei dessen Verhinderung – seine Stellvertretung berechtigt ist, personenbezogene Daten auf Papier entgegenzunehmen. Für eine elektronische Übermittlung war ausschließlich ein bestimmtes E-Mail-Postfach vorgesehen. Der Abruf der Daten erfolgte demnach über einen im Betriebsratsbüro stehenden Computer, dessen Passwort lediglich den Mitgliedern des Gremiums bekannt war. Nur sie hatten auch Zugang zu dem abschließbaren Büro. Ausgedruckte personenbezogene Daten wurden dort in einem verschlossenen Schrank verwahrt, dessen Schlüssel nur dem Vorsitzenden oder seinem Vertreter zur Verfügung stand. Vor einer Übertragung auf mobile Datenträger war eine – nur unter näher bestimmten Voraussetzungen zu erteilende – Zustimmung des Vorsitzenden bzw. seiner Stellvertretung einzuholen. Die Informationen sollten bloß solange gespeichert werden, wie es der Zweck der Verarbeitung erfordert. Alle sechs Monate sollte zudem überprüft werden, ob die gespeicherten Daten noch benötigt wurden – sonst waren sie zu löschen. Und schließlich enthielt das Konzept Vorgaben zur Sensibilisierung der Gremienmitglieder durch Hinweise auf den Datenschutz.
Das fanden Deutschlands oberste Arbeitsrichter überzeugend. Wie schon das ArbG Karlsruhe und das LAG Baden-Württemberg (Kammern Mannheim) stuften sie aber auch das Verlangen der Belegschaftsvertretung als solches als berechtigt ein. Sie habe Anspruch auf Auskunft über die Namen der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer nach § 80 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 BetrVG. Nach dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend unterrichten. Das war für das BAG keine große Frage, schließlich hätten die Belegschaftsvertreter darüber zu wachen, "dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden". Viel ausführlicher behandelte es zwei andere Punkte.
Mit der DS-GVO vereinbar
Einer davon: Sind die deutschen Regelungen überhaupt mit der DS-GVO der EU vereinbar? Bei der Erörterung dieses Verhältnisses stiegen die Erfurter Richter tief in die Materie ein. § 26 Abs. 1 BDSG besagt, dass personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden dürfen, "wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist".
Das höchstrichterliche Fazit: Diese Gesetzesvorschrift genüge zwar nicht den Vorgaben einer Öffnungsklausel in Art. 88 DS-GVO, weil die in dessen Abs. 2 vorgeschriebenen umfangreichen Schutzmaßnahmen zugunsten der Beschäftigten in der deutschen Norm fehlten. Damit rückte das BAG ausdrücklich von seiner bisherigen Rechtsprechung ab.
Doch Art. 6 Abs. 3 iVm Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO gestatte das deutsche Regelungsgerüst. Demnach dürfen die Mitgliedstaaten "spezifische Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung" treffen – etwa "Bestimmungen darüber, welche allgemeinen Bedingungen für die Regelung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung durch den Verantwortlichen gelten", sofern sie "ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen".
Auch für leitende Angestellte zuständig
Ausgiebig befasste sich das BAG ferner mit der Streitfrage, ob sich der Betriebsrat auch um leitende Angestellte kümmern durfte, obwohl für diese normalerweise stattdessen der Sprecherausschuss zuständig ist (§ 5 Abs. 3 BetrVG iVm dem Sprecherausschussgesetz). Das darf er in diesen Belangen tatsächlich, so der Richterspruch. Schließlich hätten Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialräte nach § 176 SGB IX die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern. Nach dieser Bestimmung haben sie insbesondere darauf zu achten, dass die dem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden, und auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken. Die Pflichten sind zahlreich, so etwa die zur Beschäftigung von Schwerbehinderten von einer bestimmten Betriebsgröße an, zur Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen und zur Ausstattung der Arbeitsplätze mit den erforderlichen technischen Hilfseinrichtungen. "Die genannten Förder- und Überwachungsaufgaben des Betriebsrats (...) erfassen alle schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer und damit auch solche, die leitende Angestellte (...) sind", lautet das Fazit.
Zwar werde das Gremium von diesen nicht mitgewählt. Doch mit den dort geregelten Förder- und Überwachungsaufgaben sollten der Schutz der schwerbehinderten und der ihnen gleichgestellten behinderten Menschen im Betrieb verstärkt und die Erfüllung der Verpflichtungen zu ihren Gunsten sichergestellt werden. "Die Entstehungsgeschichte belegt die Absicht des Gesetzgebers, den mit der Norm bezweckten Schutz der schwerbehinderten Menschen möglichst umfassend und lückenlos auszugestalten." Diese Wirkung würde nur unzureichend erzielt, wenn der Betriebsrat für die Wahrnehmung dieser Aufgaben zugunsten einer Personengruppe – der leitenden Angestellten – im Geltungsbereich des BetrVG nicht zuständig wäre, schlussfolgern die Erfurter Richter: Die Schutzbedürftigkeit dieser Personen bestehe ausschließlich wegen ihrer besonderen Bedürfnisse. "Den Fragen, welche Stellung der jeweils Betroffene im Betrieb oder Unternehmen hat und welche Befugnisse gegebenenfalls damit verbunden sind, kommt hingegen keine Bedeutung zu."