Ballettschulleiter hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung

Beschäftigt ein Bundesland jemanden trotz fehlenden Lehramtsstudiums mehr als zehn Jahre lang als Schulleiter, so kann es sich nach verlorenem Kündigungsschutzprozess nicht darauf berufen, dass eine Weiterbeschäftigung rechtlich unzulässig sei. Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass die Anforderungen aus dem Berliner Schulgesetz an einen Schulleiter allenfalls Mitbewerber schützten. Das Land könne daraus keinen Schutz vor seinen eigenen Entscheidungen ableiten.

Berliner Senat will Schulleiter loswerden

Der Kläger wurde 2007 zum Schulleiter der staatlichen Ballettschule Berlin berufen. Er hatte kein Lehramtsstudium absolviert, sondern war Theaterwissenschaftler und Choreograf mit dem Schwerpunkt Tanzwissenschaft, und hatte als solcher vor der Besetzung bereits eine Honorarprofessur und eine außerplanmäßige Professur erworben. Über zehn Jahre später wurden Vorwürfe über "Missstände" an der Schule erhoben und der Berliner Senat setzte eine Kommission ein, um dem nachzugehen. Nachdem der Schulleiter einen kurzfristig angesetzten Anhörungstermin bei der Senatsverwaltung nicht wahrgenommen hatte, wurde er freigestellt, ihm ein Hausverbot erteilt und sein Arbeitsverhältnis einige Monate später auch gekündigt. Dagegen setzte sich der Tanzwissenschaftler zur Wehr: Seine Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Mit seinem Anspruch auf Weiterbeschäftigung scheiterte er vor dem Arbeitsgericht Berlin. Der Berliner Senat machte sich dessen Argumentation zu eigen, dass nach dem Berliner Schulgesetz nur Schulleiter werden könne, wer über eine Ausbildung für das Lehramt verfüge. Er berief sich deshalb auf eine rechtliche Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung. Das Landesarbeitsgericht Berlin gab jedoch dem Schulleiter auch insoweit Recht. Die Revision des Landes blieb beim BAG erfolglos.

Keine rechtliche Unmöglichkeit der Beschäftigung

Der Kläger hat dem BAG zufolge einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die Beschäftigung als Schulleiter aus den §§ 611a Abs. 1 Satz 1, 613 BGB in Verbindung mit der Generalklausel des § 242 BGB. Dieser Anspruch entfalle auch nicht wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB. Denn in § 71 BlnSchulG werde nur definiert, welche Voraussetzungen ein Bewerber für eine derartige Position mitbringen solle. Die Norm sei somit Grundlage für das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle. Einen darüber hinausgehenden Regelungsgehalt habe sie laut den Erfurter Richtern, "trotz aller Auslegungsbemühungen der Revision" nicht. Insbesondere schütze sie nicht das Land Berlin vor seinen eigenen Personalentscheidungen. Im Übrigen gebe es im Bereich Ballett oder Artistik keinerlei Lehramtsausbildung.

Verbot widersprüchlichen Verhaltens

Gerade angesichts der langjährigen beanstandungsfreien Beschäftigung als Schulleiter sei auch nicht dargelegt worden, warum bei dem Kläger das fehlende Lehramtsstudium nun ausschlaggebendes Hindernis für eine Weiterbeschäftigung sein könne, stellte das BAG fest. Außerdem könne das Land das "nach jahrelanger gegenteiliger Praxis und verlorenen Kündigungsschutzprozessen angenommene - vermeintliche - rechtliche Leistungshindernis" leicht über die Verordnungsermächtigung in § 93 Nr. 5 SchulG beseitigen. Das BAG fand es auch widersprüchlich, dass das Amt des Schulleiters - nach beim LAG unwidersprochen gebliebenen Angaben des Klägers - zunächst durch einen Mann ausgeübt worden sei, der Maschinenbau studiert und damit auch kein Lehramtsstudium absolviert habe.

BAG, Urteil vom 01.06.2022 - 5 AZR 407/21

Redaktion beck-aktuell, 16. September 2022.