Auch Selbst­stän­di­ge kön­nen Aus­kunft über Ver­dienst ihrer "Kol­le­gen" ver­lan­gen
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Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat ein Grund­satz­ur­teil zum Aus­kunfts­recht aus dem Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­setz ge­fällt. Neben Ar­beit­neh­mern haben da­nach auch Selbst­stän­di­ge, die ihr Ein­kom­men vor­wie­gend von einem Ar­beit­ge­ber be­zie­hen, einen An­spruch auf In­for­ma­tio­nen zum Ver­dienst ihrer Kol­le­gen mit ver­gleich­ba­ren Auf­ga­ben. Das BAG ent­schied am 25.06.2020 in sei­nem ers­ten Ur­teil zum Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­setz, dass das Aus­kunfts­recht auch für ar­beit­neh­mer­ähn­lich Be­schäf­tig­te gilt.

Ziel: An­glei­chung der Löhne von Frau­en und Män­nern

Das Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­setz, das seit Mitte 2017 in Kraft ist, soll dabei hel­fen, die Lohn­lü­cke, die zwi­schen Frau­en und Män­nern in Deutsch­land noch immer be­steht, zu ver­klei­nern. Die Grup­pe der ar­beit­neh­mer­ähn­lich Be­schäf­tig­ten wurde in dem Ge­setz nicht ex­pli­zit ge­nannt. "Auch auf diese Grup­pe ist nach der Ent­schei­dung das Ge­setz an­zu­wen­den", sagte eine Ge­richts­spre­che­rin. Die Be­grif­fe "Ar­beit­neh­me­rin" und "Ar­beit­neh­mer" in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTran­spG seien nicht eng im Sinn des Ar­beit­neh­mer­be­griffs des in­ner­staat­li­chen Rechts, son­dern uni­ons­rechts­kon­form in Über­ein­stim­mung mit dem Ar­beit­neh­mer­be­griff der Richt­li­nie 2006/54/EG weit aus­zu­le­gen. 

EU-Recht ge­bie­tet Er­stre­ckung des Ge­set­zes auf Ar­beit­neh­mer­ähn­li­che

Da­nach könn­ten im Ein­zel­fall auch ar­beit­neh­mer­ähn­li­che Per­so­nen im Sinn des in­ner­staat­li­chen Rechts Ar­beit­neh­mer im Sinn von  § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTran­spG sein, so das BAG. Das Eu­ro­pa­recht kenne die Un­ter­schei­dung zwi­schen Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­neh­mer­ähn­li­chen nicht, er­klär­te Nora Mar­kard, Jura-Pro­fes­so­rin an der Uni­ver­si­tät Müns­ter. Sie ist auch Vor­stands­mit­glied der Ge­sell­schaft für Frei­heits­rech­te.

An­for­de­run­gen noch nicht durch an­de­re Ge­setz­ge­bung er­füllt

Die Be­grif­fe "Ar­beit­neh­me­rin" und "Ar­beit­neh­mer" in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTran­spG seien uni­ons­rechts­kon­form in Über­ein­stim­mung mit dem Ar­beit­neh­mer­be­griff der Richt­li­nie 2006/54/EG weit aus­zu­le­gen, da es an­dern­falls an einer Um­set­zung der Be­stim­mun­gen die­ser Richt­li­nie zum Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung beim Ent­gelt und zur ent­gelt­be­zo­ge­nen Gleich­be­hand­lung männ­li­cher und weib­li­cher Ar­beit­neh­mer bei glei­cher oder als gleich­wer­tig an­er­kann­ter Ar­beit im deut­schen Recht feh­len würde. Eine - zwin­gend er­for­der­li­che - aus­rei­chen­de Um­set­zung sei bis­lang weder im All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz noch an­sons­ten er­folgt. Erst das Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­setz ent­hal­te Be­stim­mun­gen, die auf die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie 2006/54/EG zur Ent­gelt­gleich­heit ge­rich­tet sind.

Kla­gen­de Fern­seh-Jour­na­lis­tin vor LAG noch er­folg­los

Zu ar­beit­neh­mer­ähn­lich Be­schäf­tig­ten ge­hö­ren in Deutsch­land nach An­ga­ben von Ar­beits­recht­lern unter an­de­rem oft Jour­na­lis­ten, In­for­ma­ti­ker, Ju­ris­ten, Ar­chi­tek­ten sowie eine Reihe von Dienst­leis­tern. Ge­klagt hatte eine Fern­seh-Jour­na­lis­tin. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg hatte ihren Aus­kunfts­an­spruch nach dem Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­setz ver­neint, die Re­vi­si­on zum BAG aber zu­ge­las­sen. Die Par­tei­en hat­ten sich dar­auf ver­stän­digt, dass es wegen der Co­ro­na-Pan­de­mie keine münd­li­che Ver­hand­lung vor dem BAG gab.

Über mög­li­chen An­spruch muss LAG er­neut ent­schei­den

Ob die Klä­ge­rin gegen die Be­klag­te auch einen An­spruch auf Er­tei­lung von Aus­kunft über das Ver­gleich­s­ent­gelt hat, konn­te der Senat auf­grund der bis­lang vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht ent­schei­den. In­so­weit hat der Senat die Sache zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen. 

Wir­kung des Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­set­zes um­strit­ten

Die Wir­kung des Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­set­zes bei der Schlie­ßung der Lohn­lü­cke zwi­schen Frau­en und Män­nern ist um­strit­ten. Es gilt für pri­va­te und öf­fent­li­che Un­ter­neh­men mit min­des­tens 200 Be­schäf­tig­ten. Das ar­beit­ge­ber­na­he In­sti­tut der Deut­schen Wirt­schaft zog aus einer Un­ter­su­chung im Jahr 2019 das Fazit, dass es beim Schlie­ßen der Lohn­lü­cke bis­her nicht viel be­wirkt habe. Nur we­ni­ge Be­schäf­tig­te wür­den den Aus­kunfts­an­spruch nut­zen. Auch der Deut­sche Ge­werk­schafts­bund äu­ßer­te sich kri­tisch, weil es durch die Fest­le­gung auf eine Min­dest­be­schäf­tig­ten­zahl für klei­ne Be­trie­be nicht gelte.

BAG, Urteil vom 25.06.2020 - 8 AZR 145/19

Redaktion beck-aktuell, 25. Juni 2020 (ergänzt durch Material der dpa).

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