Ersatz von Compliance-Kosten durch Arbeitnehmer nur bei nachgewiesener Erforderlichkeit

Ein Mitarbeiter muss die durch ihn verursachten Compliance-Kosten nur übernehmen, wenn der Arbeitgeber deren Erforderlichkeit hinreichend dargelegt hat. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem Fall entschieden, in dem der Arbeitgeber von einem ehemaligen Mitarbeiter auf Führungsebene Ersatz von Anwaltskosten für Ermittlungen im Zusammenhang mit Vorwürfen des Spesenbetrugs, des Abrechnungsbetrugs und von Compliance-Verstößen verlangt hat.

Untersuchungsbericht bestätigt Compliance-Verstöße des Klägers

Der Kläger war bei der Beklagten als Leiter des Zentralbereichs Einkauf und Mitglied einer Führungsebene zu einem Jahresbruttogehalt in Höhe von zuletzt etwa 450.000 Euro tätig. Nachdem bei der Beklagten mehrere anonyme Verdachtsmeldungen wegen eventueller Compliance-Verstöße des Klägers eingegangen waren, traf das bei dieser zuständige Gremium die Entscheidung, eine Untersuchung unter Einschaltung einer auf die Durchführung von Compliance-Ermittlungen spezialisierten Anwaltskanzlei durchzuführen. Die Kanzlei legte einen Untersuchungsbericht vor, nach welchem der Kläger unter anderem auf Kosten der Beklagten Personen ohne dienstliche Veranlassung zum Essen eingeladen sowie gegenüber der Beklagten Reisekosten für von ihm unternommene Fahrten zu Champions-League-Spielen des FC Bayern München abgerechnet hatte. Die Tickets für die Spiele hatte der Kläger auf Anforderung von Geschäftspartnern der Beklagten erhalten. Die Anwaltskanzlei stellte der Beklagten für ihre Tätigkeit ausgehend von einem Stundenhonorar in Höhe von 350 Euro insgesamt 209.679,68 Euro in Rechnung.

Kündigungsschutzklage des Klägers erfolglos

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich wegen Verstoßes gegen das sogenannte Schmiergeldverbot, wegen der Abrechnung privater Auslagen auf Kosten der Beklagten und mehrfachen Spesenbetrugs. Gegen die Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, die rechtskräftig abgewiesen wurde.

LAG: Kläger muss Compliance-Kosten in Höhe von 66.500 Euro übernehmen

Mit ihrer Widerklage hat die Beklagte den Kläger auf Ersatz der ihr von der Anwaltskanzlei in Rechnung gestellten Ermittlungskosten in Anspruch genommen und dies damit begründet, der Kläger habe diese Kosten nach den vom Bundesarbeitsgericht für die Erstattung von Detektivkosten aufgestellten Grundsätzen zu ersetzen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch stehe die Regelung in § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen. Zudem habe die Beklagte die Erforderlichkeit der Kosten nicht dargetan. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und der Beklagten 66.500 Euro zugesprochen. Es hat angenommen, die Beklagte könne die Kosten ersetzt verlangen, die ihr durch die Tätigkeit der Anwaltskanzlei bis zum Ausspruch der Kündigung entstanden seien. Mit der Revision begehrt der Kläger die vollständige Abweisung der Widerklage.

Kosten grundsätzlich ersatzfähig

Die Revision des Klägers war vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Die Beklagte habe im Ergebnis nicht dargelegt, dass die von ihr geltend gemachten Kosten erforderlich waren. Grundsätzlich könne ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die durch das Tätigwerden einer spezialisierten Anwaltskanzlei entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen diesen beauftragt hat und der Arbeitnehmer einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Sofern ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers vorliege, gehörten auch die zur Abwendung drohender Nachteile notwendigen Aufwendungen des Geschädigten zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden. Die Grenze der Ersatzpflicht richte sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich getan haben würde. Dem steht § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen, sondern auch einen materiellen Kostenerstattungsanspruch ausschließt, nicht entgegen. Diese Bestimmung finde in einem solchen Fall keine Anwendung.

Aber: Beklagte hat Erforderlichkeit der Kosten nicht hinreichend dargelegt

Die Beklagte habe jedoch nicht dargelegt, dass die von ihr geltend gemachten Kosten erforderlich waren. Es fehle an einer substantiierten Darlegung, welche konkreten Tätigkeiten bzw. Ermittlungen wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts gegen den Kläger von der beauftragten Anwaltskanzlei ausgeführt wurden.

BAG, Urteil vom 29.04.2021 - 8 AZR 276/20

Redaktion beck-aktuell, 30. April 2021.