Arbeitgeber dürfen Mitarbeiter ins Ausland versetzen
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Arbeitgeber können Beschäftigte ins Ausland versetzen, wenn nicht im Arbeitsvertrag oder den Umständen nach etwas anderes vereinbart worden ist. Das hat das Bundesarbeitsgericht heute im Fall von vier Ryanair-Piloten entschieden, die die Fluglinie nach Schließung ihres Nürnberger Standorts nach Italien geschickt hat – zu deutlich niedrigeren Gehältern. Die Ausübung dieses Weisungsrechts kann allerdings stets darauf kontrolliert werden, ob es auf billige Weise ausgeübt wurde.

Von Nürnberg nach Bologna

Piloten sind von Haus aus eine besonders mobile Berufsgruppe. Doch auch da gibt es Grenzen, meinen vier deutsche Flugkapitäne der ­irischen Airline Ryanair. Die für europäische Beschäftigte zuständige Konzerntochter mit Sitz auf Malta hat sie ins Ausland versetzt - und das zu deutlich geringeren Bezügen. So hat einer von ihnen zuletzt knapp 12.000 Euro im Monat verdient, was auf einem Vergütungstarifvertrag für alle bundesrepublikanischen Basen beruhte; der Boeing 737-800-Captain ist selbst Mitglied der einschlägigen Gewerkschaft Cockpit (VC). Doch im Arbeitsvertrag, in dem die Anwendung irischen Rechts sowie die Versetzbarkeit an jeglichen anderen Standort vereinbart wurden, sind nur etwas über 75.000 Euro fürs ganze Jahr vorgesehen. Der Hintergrund: Ryanair schloss für alle 24 dortigen Flugzeugführer den Nürnberger Heimatstandort des Klägerquartetts. Ein Sozialtarifvertrag sah vor, dass zum Abbau eines daraus folgenden "Pilotenüberhangs" (sofern keine anderen näher definierten Maßnahmen möglich sind) den Betroffenen ein anderer Ort in der EU per Versetzung oder Änderungskündigung zugewiesen werden könne. Wer ins Ausland verlegt wird, sollte sodann zu den dortigen Arbeitsbedingungen und Gehältern beschäftigt werden. Den beispielhaft genannten Kläger schickte die Flug­linie zum Mai 2020 ins italienische Bologna, kündigte vorsorglich sein Arbeitsverhältnis und bot ihm zugleich an, dort weiter tätig zu sein - was er unter Vorbehalt akzeptierte.

Piloten müssen flexibel sein

Doch hält er die Versetzung für unwirksam: Die Verlegung ins Ausland sowie die daraus resultierende deutliche Schmälerung seines Entgelts seien nicht vom Direktionsrecht gedeckt. Die vorsorgliche Änderungskündigung mit dem damit verbundenen Entzug der tariflich vereinbarten Anwendung deutschen Rechts müsse er ebenso wenig hinnehmen. Ryanair führt hingegen "branchen- beziehungsweise berufsspezifische Besonderheiten" ins Feld: Der Tätigkeit von Flugpersonal einer international tätigen Fluggesellschaft sei eine ­gewisse Volatilität und Flexibilität immanent. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Nürnberg sahen das genauso. Das fanden nun auch die Erfurter Bundesrichter, wie sie heute auch mit ganz grundsätzlichen Erwägungen geurteilt haben.

Direktionsrecht nicht auf Deutschland beschränkt

Die Kernaussage des letztinstanzlichen Richterspruchs: Arbeitgeber können prinzipiell auf ihr arbeitsvertragliches Direktionsrecht pochen, um Mitarbeiter an einen Arbeitsplatz in anderen Staaten zu schicken. Anders ist dies nur, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich etwas anderes vereinbart oder zumindest den Umständen nach konkludent verabredet worden ist. Wichtig: § 106 GewO, der das Weisungsrecht festlegt, ist nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Eine Grenze ziehen die Bundesrichter dann aber doch: "Die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall unterliegt nach dieser Bestimmung allerdings einer Billigkeitskontrolle", schreiben sie in ihrer Pressemitteilung. Ist wie hier in den vier Streitfällen im Arbeitsvertrag kein bestimmter Arbeitsort im Inland fest vereinbart, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen, umfasst das Weisungsrecht des Arbeitgebers aber eben auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort, führen sie weiter aus: "Eine Begrenzung auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen."

Nicht unfair von Ryanair

Zu Recht habe das LAG außerdem angenommen, dass die Maßnahme billigem Ermessen entsprach und der Ausübungskontrolle standhält. Denn die Versetzung sei Folge der unternehmerischen Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben; damit sei die Möglichkeit, die Kläger dort zu stationieren, entfallen. Ryanair habe überdies das für einen solchen Fall in dem mit der Gewerkschaft VC geschlossenen Tarifsozialplan vereinbarte Verfahren eingehalten. Die Arbeitsrichter sehen eine ganze Reihe guter Argumente: Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort gab es demnach nicht, ein Einsatz als "Mobile Pilot" war nicht möglich, eine Base-Präferenz hatte der Kläger nicht angegeben, und alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten wurden nach Italien versetzt. Die Weisung ließ trotz alldem den Inhalt des Arbeitsvertrags, insbesondere das im Arbeitsvertrag vorgesehene Entgelt, unberührt, so das BAG weiter. Dass die Flugkapitäne den Anspruch auf ein höheres Entgelt verlören, liege vielmehr an dem Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt sei. Zudem sehe ein Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen – insbesondere den dortigen Tarifgehältern – weiterbeschäftigt werden. Das Fazit: Es ist nicht unbillig, wenn die Fluggesellschaft die mit der Versetzung verbundenen sonstigen Nachteile für einen Piloten, der seinen mittelfränkischen Wohnort nicht aufgeben will, nicht stärker ausgleicht als dort vorgesehen.  

BAG, Urteil vom 30.11.2022 - 5 AZR 336/21

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 30. November 2022.