Gegneranwalt im Rubrum nicht genannt: Wirksame Zustellung

Selbst wenn ein Anwalt weiß, dass die gegnerische Partei einen Prozessbevollmächtigten hat, ist es für die Zustellung unschädlich, wenn er den Gegneranwalt nicht im Klagerubrum benennt. Die Pflicht aus § 172 ZPO, nur an den Anwalt zuzustellen, trifft laut BAG das Gericht.

Die ehemalige Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Wiesbaden e.V. ließ sich 2017 für 11.200 Euro im Krankenhaus behandeln. Die Kosten des Eingriffs hatte ihr Vertreter schon vorab vom Konto der AWO an das Krankenhaus überwiesen. Knapp vier Jahre später fiel der Verband in die Insolvenz. Der Sachwalter verlangte im Rahmen der Insolvenzanfechtung von der Leiterin des Verbands unter anderem auch die Behandlungskosten zurück. Von einer vorherigen Kündigungsschutzklage war ihm zwar bekannt, dass sie sich in der Regel von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten ließ, er benannte aber die Kanzlei im Rubrum der Klageschrift nicht. Das ArbG Wiesbaden stellte die Klage deshalb der Frau selbst zu.

Nach erfolgter Zustellung rief ihr Anwalt beim Gericht an und erklärte, er sei Generalbevollmächtigter der Geschäftsführerin und werde sie auch in diesem Verfahren vertreten. Eine erneute Zustellung an ihn erfolgte aber nicht. Die Klage war in allen Instanzen – auch vor dem BAG – erfolgreich.

Gegnervertreter musste nichts ins Rubrum

Das BAG (Teilurteil vom 22.02.2024 – 6 AZR 125/23) bejahte die Wirksamkeit der Klagezustellung an die Partei. § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Pflicht an den Bevollmächtigten zuzustellen, setze die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten voraus und die Kenntnis des Gerichts darüber. Nur wenn dem Gericht bekannt sei, dass die Partei vertreten sei, müsse es an den Bevollmächtigten zustellen. Wird im Klageschriftrubrum kein Gegnervertreter angegeben und ist die Vertretung dem Gericht auch nicht anderweitig bekanntgeworden, wird die Klageschrift laut dem 6. Senat zurecht der Partei zugestellt. Vorliegend war laut Akte die Zustellung an die Partei bereits bewirkt worden, als der Anwalt seine Vertretung telefonisch anzeigte.

Nach Ansicht der Erfurter Richterinnen und Richter bezieht sich die Verpflichtung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch nur auf das konkret anhängige Verfahren. Dem Gericht müsse daher – selbst bei Kenntnis darüber, dass die Kanzlei die Partei auch in anderen Verfahren vertrete – erst ausdrücklich mitgeteilt werden, dass auch dieses Verfahren von dem Bevollmächtigten betreut werde.

Der Sachwalter habe den gegnerischen Anwalt auch nicht in der Klageschrift angeben müssen. "Unerheblich ist, ob der Kläger Kenntnis davon hatte, dass der jetzige Prozessbevollmächtigte auch für das vorliegende Verfahren mandatiert war. Für eine Bestellung iSd. § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist allein maßgebend, ob dem Zustellenden die Bevollmächtigung zur Kenntnis gebracht worden ist. ‚Zustellender‘ ist bei der hier vorliegenden Amtszustellung allein das Gericht", führte das BAG hierzu aus. 

BAG, Urteil vom 19.06.2024 - 5 AZR 167/23; 5 AZR 192/23

Redaktion beck-aktuell, rw, 4. Juni 2024.

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