Betriebsbegriff im KSchG: Besonderheiten bei Luftverkehrsbetrieben

Eine österreichische Airline stellte den Flugbetrieb in Deutschland ein, das Personal wurde entlassen. Das BAG hat nun in einem weiteren der daraufhin angestrengten Kündigungsschutzverfahren entschieden und sich dabei mit den Besonderheiten des Betriebsbegriffs in § 24 Abs. 2 KSchG bei Luftverkehrsunternehmen befasst.

Die Ryanair-Tochter betrieb über 20 in Österreich registrierte Flugzeuge, die von vier Basen in Wien, Düsseldorf, Palma und Stuttgart aus eingesetzt wurden. Die Einsatzplanung lag bei einem externen Dienstleister in Polen, verschiedene Funktionsträger der Airline saßen in Österreich. Dort wurden auch alle wesentlichen Personalentscheidungen getroffen. Auf die Entlassungen folgten zahlreiche Kündigungsstreitigkeiten, zu denen es bereits eine Reihe von BAG-Entscheidungen gibt.

Auch in der aktuellen Entscheidung des BAG (Urteil vom 29.05.2024 - 2 AZR 325/22) ging es um eine Klage gegen zwei von der Airline ausgesprochene betriebsbedingte Kündigungen. Maßgeblich für die Beurteilung der Kündigungen war deutsches Recht. Nach der BAG-Rechtsprechung ist der Erste Abschnitt des KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in Deutschland liegen. Das gilt dem BAG zufolge auch für Luftverkehrsbetriebe im Sinn des § 24 Abs. 2 KSchG; die Regelung enthalte aber einen gegenüber Land- und Bodenbetrieben eigenständigen Betriebsbegriff.

Flugzeuge müssen nicht in Deutschland registriert sein

Wie das BAG in seiner aktuellen Entscheidung festhält, wird ein Luftverkehrsbetrieb im Sinn des § 24 Abs. 2 KSchG aus der Gesamtheit der im Inland stationierten Flugzeuge eines Luftverkehrsunternehmens gebildet. Weder bedürfe es einer Leitung im Inland noch einer weitergehenden Organisationsstruktur. Das BAG bekräftigt damit seine Leitentscheidung aus dem vergangenen Jahr (Urteil vom 01.06.2023 - 2 AZR 150/22). Mithin bilde die Gesamtheit der an den Flughäfen Stuttgart und Düsseldorf stationierten Flugzeuge den inländischen Luftverkehrsbetrieb der Airline.

Die Airline hatte im vorliegenden Fall anders als in den zahlreichen bereits entschiedenen Verfahren eingewandt, an den Flughäfen Stuttgart und Düsseldorf seien keine Flugzeuge "stationiert" gewesen. Ihre Flugzeuge seien nicht in Deutschland registriert gewesen. Auch seien einzelne Flugzeuge keinem deutschen Flughafen dauerhaft zugeordnet gewesen, vielmehr flögen sie rotierend von unterschiedlichen Flughäfen. Laut BAG genügt es aber, wenn eine bestimmte Anzahl von Flugzeugen mit Besatzung ("Flugzeugkontingent") einem bestimmten inländischen Flughafen fest zugeordnet ist. Es spiele keine Rolle, ob ein konkretes Flugzeug einem Flughafen zugeordnet ist. Auch setze ein Luftverkehrsbetrieb nicht voraus, dass die Flugzeuge im Inland registriert sind.

Laut BAG unterhielt die Airline in Deutschland einen Luftverkehrsbetrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern, sodass der betriebliche Geltungsbereich des KSchG eröffnet war. Die Revision des Klägers hatte aber dennoch keinen Erfolg.

BAG, Urteil vom 29.05.2024 - 2 AZR 325/22

Redaktion beck-aktuell, hs, 26. Juli 2024.