In einer arbeitsgerichtlichen Streitigkeit um tarifliche Nachtarbeitszuschläge ließ sich der Kläger von der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Deren Rechtsschutzsekretär, der für die Belange der Mitglieder angestellt, aber nicht als Syndikusrechtsanwalt für seinen Arbeitgeber zugelassen war, wollte vor dem BAG die Revision zurücknehmen. Der Jurist, der neben seiner Tätigkeit für den Verband auch noch als niedergelassener Rechtsanwälte zugelassen war, unterschrieb die Rücknahme mit "DGB-Rechtsschutz GmbH, handelnd durch (Name), Ass.jur" und übermittelte den Schriftsatz nur per Post – und nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA).
Das musste er auch nicht, entschied nun das Bundesarbeitsgericht, die Revision sei wirksam zurückgenommen worden. Weder die DGB Rechtsschutz GmbH als Prozssebevollmächtigte noch der konkret handelnde Rechtssekretär hätten den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) nutzen müssen, so der 10. Senat (BAG, Beschluss vom 21.09.2023 - 10 AZR 512/20).
Die DGB-Rechtsschutz GmbH als Verband nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 ArbGG müsse den ERV erst ab 2026 nutzen, dürfe also unproblematisch bis dahin noch auf Papier mit den Gerichten kommunizieren.
Verbandssyndizi, die für Mitglieder auftreten, müssen vor Gericht das beA nutzen
Etwas komplizierter ist es bei Juristinnen und Juristen, die in Verbänden tätig sind: Das BAG hat dieses Jahr im Mai grundlegend klargestellt, dass Syndikusanwältinnen und -anwälte - wie die niedergelassene Anwaltschaft auch - nach § 46g ArbGG das beA nutzen müssen, wenn sie für einen Verband erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringen (§ 46 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 BRAO) und gegenüber einem Gericht tätig werden (BAG, Urteil vom 23.05.2023 – 10 AZB 18/22). Es kommt demnach darauf an, so Deutschlands höchste Arbeitsrichter und -richterinnen, dass er als Syndikusanwalt für diese Tätigkeit beim Verband zugelassen ist und in dieser Funktion Erklärungen gegenüber dem Gericht abgibt.
In der Literatur wird diese Abgrenzung des BAG als "statusbezogenes Verständnis" der beA-Nutzungspflicht bezeichnet, unabhängig davon also, ob der Verbandssyndikusrechtsanwalt im konkreten Fall auch in diesen Funktionen auftritt.
Das jetzt entschiedene Verfahren gibt dem BAG Gelegenheit, weiter zu differenzieren: Der Rechtssekretär bei der DGB Rechtsschutz GmbH, um den es nun ging, war nämlich nicht als Syndikusanwalt zugelassen, als er die Revision einreichte. Und er musste, das stellt das BAG ausdrücklich klar, auch nicht deshalb das beA benutzen, weil er nebenberuflich als Rechtsanwalt zugelassen ist, also in dieser Funktion über ein Anwalts-beA verfügt.
Aber: Keine Nutzungspflicht ohne Syndikuszulassung oder RA-Mandat für den Verband
Die Erfurter Richterinnen und Richter stellen jetzt ausdrücklich klar, dass es für die Pflicht, den ERV zu nutzen, auf das Rechtsverhältnis ankommt, in dessen Rahmen der Jurist nach § 46g Satz 1 ArbGG gegenüber dem Gericht tätig wird: Betrifft das Rechtsverhältnis seine Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Syndikusrechtsanwalt, besteht die Nutzungspflicht.
Wer hingegen ohne eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und ohne ein Mandat im Rahmen der Tätigkeit als zugelassener Rechtsanwalt für den Verband als nicht anwaltlicher Verbandsvertreter handelt, muss das beA nicht nutzen. In einem solchen Fall ist der handelnde Verbandsvertreter laut BAG nicht als (Syndikus-)Rechtsanwalt am Prozess beteiligt, sondern handelt in einem anderen Rechtsverhältnis.
Diese Erläuterungen des BAG lesen sich auf den ersten Blick unnötig kompliziert - schließlich war der Jurist ja als Verbandsvertreter für die DGB Rechtsschutz GmbH als Prozessbevollmächtigter für den Kläger tätig und nicht etwa in seinem "Nebenjob" als Anwalt. Doch in der Literatur wurde bislang vereinzelt die Auffassung vertreten, dass, wer über ein beA verfüge – egal, in welcher Funktion - es auch immer benutzen müsse. Das liefe darauf hinaus, dass im "Nebenjob" zugelassene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, wenn sie in ihrem Hauptberuf in einem Verband gegenüber einem Gericht auftreten, dafür ihr Anwalts-beA benutzen müssten, obwohl das gerichtliche Verfahren mit ihrem Anwaltsdasein im Nebenjob nicht das Geringste zu tun hat. Nach Informationen von beck-aktuell sollen auch zwei Hinweisbeschlüsse des LAG Hamm in der Welt sein, die diese Ansicht vertreten.
Nach dem klarstellenden Beschluss aus Erfurt dürfte das kaum mehr vertretbar sein: Wer ohne Syndikuszulassung und ohne Anwaltsmandat für den Verband als nicht anwaltlicher Vertreter auftritt, ist nicht als (Syndikus-)Rechtsanwalt am Prozess beteiligt, sondern handelt in einem anderen Rechtsverhältnis, so das BAG. Zwar ziele § 46g S. 1 ArbGG auf eine umfassende Nutzungspflicht aller ab, die über ein beA verfügen. "Dies gilt aber nur, soweit diese Personen auch in einem Rechtsverhältnis, das zur ERV-Nutzung verpflichtet – wie beispielsweise als Syndikusrechtsanwalt oder als mandatierter Rechtsanwalt -, für den Verband auftreten.