Auswirkungen der US-Zollpolitik: Was Anwälte ihren Mandanten raten sollten
© ASSOCIATED PRESS | Mark Schiefelbein

Fast täglich kommen neue Zoll-Nachrichten. Viele Unternehmen sind verunsichert, ob ihrer eigenen Betroffenheit und Möglichkeiten. Nils Kupka rät Anwälten, die Entwicklungen genau zu beobachten und Handelsverträge ihrer Mandanten zu überprüfen. Für Sonderkündigungsrechte sieht er allerdings schwarz.

Kaum ein Tag vergeht, an dem es keine neuen Entwicklungen in der US-Zollpolitik gibt. Nach Einführung eines XXL-Zollpakets, bestehend aus einem pauschalen Aufschlag von 10% auf Importe aus allen Ländern sowie zusätzlichen länderspezifischen Zusatzzöllen setzte die US-Regierung zumindest Letzteres am vergangenen Mittwoch mit Ausnahme für China wieder aus.

Es gilt zumindest ein Moratorium von 90 Tagen für all diejenigen Länder, die sich gesprächsbereit gezeigt hatten. Für die EU bedeutet das, dass zusätzliche 20% Einfuhrzölle auf sämtliche Einfuhren aus der EU erst einmal nicht erhoben werden. Bestehende Zusatzzölle auf bestimmte Produktarten wie Stahl und Aluminium sowie der pauschale Aufschlag von 10% bleiben davon aber unberührt.

Wie es in den kommenden Tagen und danach weitergeht, und ob die US-Regierung in den Zöllen überhaupt mehr sieht als ein kurzfristiges Druckmittel, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Das Vorgehen und Kalkül der US-Regierung gibt jedenfalls Rätsel auf. Dies zu bewerten, ist die eine Sache. Eine andere Sache ist es, mit den geltenden und drohenden Zöllen auch umzugehen - insbesondere, wenn man als Unternehmen direkt von Zöllen und Gegenzöllen betroffen ist. Für Rechtsberaterinnen und Rechtsberater gilt es, ihre Mandantschaft über die dynamischen Entwicklungen aufzuklären, eventuelle Betroffenheit auszuloten und Strategien für den Umgang mit Zöllen zu entwickeln.

Welche Einfuhren sind betroffen?

Dafür ist es erforderlich, die Entwicklungen in der Zollpolitik genau zu monitoren. Welche Einfuhren betroffen sind, lässt sich durch die Zollmeldungen zu spezifischen Produktarten genau verfolgen. Mit Executive Order vom 2. April 2025 hat die US-Regierung Zusatzzölle auf Einfuhren in die USA angewiesen: Ab dem 5. April 2025 wird auf unbestimmte Zeit ein pauschaler Aufschlag von 10% auf sämtliche Einfuhren aus Ländern weltweit erhoben.

Ab dem 9. April 2025 sollte dann für bestimmte Länder, mit denen die USA die größten Handelsdefizite haben, ein erhöhter, individueller Zusatz-Zollsatz angewendet werden. Für die EU liegt dieser bei 20%. Bei Anwendung kommt dieser Zusatzzoll zu bestehenden Zöllen und Abgaben hinzu. Derzeit ist die Anwendung des 20%-Zusatzzolls auf Einfuhren aus der EU für die Dauer von 90 Tagen ausgesetzt.

Die genannten Zölle gelten grundsätzlich für alle Einfuhren in die USA. Ausnahmen bestehen für Produkte und Waren, für die bereits zuvor Zusatzzölle eingeführt wurden, wie auf Aluminium und Stahl, oder angekündigt wurden, wie auf Kfz und Kfz-Teile. Ausgenommen sind derzeit außerdem besondere Güter wie Arzneimittel, Halbleiter und bestimmte Mineralien.

EU-Gegenzölle beachten

Neben den US-Zöllen gilt es außerdem, Gegenzölle der EU zu beobachten. Aufgrund der US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumerzeugnisse sowie den Ankündigungen zu Kfz und Kfz-Teilen hat die EU bislang zweistufige Gegenmaßnahmen geplant: Zum 1. April 2025 waren Gegenmaßnahmen geplant, die auf eine Reihe von US-Produkten abzielen, die den wirtschaftlichen Schaden für EU-Stahl- und Aluminiumexporte ausgleichen sollen. Deren Inkrafttreten wurde auf den 15. April verschoben.

Der betroffene Warenkreis ergibt sich aus Anhang I und Anhang II der Durchführungsverordnung (EU) 2018/886. Darüber hinaus hat die EU-Kommission einen weiteren Warenkreis vorgeschlagen, welcher von möglichen EU-Gegenmaßnahmen betroffen sein könnte. Diese sollten nach Konsultation der Mitgliedstaaten und Interessengruppen ebenfalls im April 2025 in Kraft treten. Weitere Gegenmaßnahmen sind ebenfalls denkbar. Man wird allerdings sehen müssen, wie sich die derzeitige Aussetzung der 20%-Zusatzzölle auf Einfuhren aus der EU auf die Verhandlungen auswirken.

Lieferketten im Blick haben

Von den Zöllen sind im Grundsatz und losgelöst von der Zollpflicht zunächst sowohl sämtliche deutschen Exporteure von Waren in die USA betroffen als auch sämtliche deutschen Importeure von mit Gegenzöllen belegten Waren aus den USA.

Zusätzlich sollten die Auswirkungen von Zöllen auf Lieferketten im Blick behalten werden. Verteuerungen auf einer Ebene der Lieferkette können unter Umständen auch Auswirkungen auf andere Ebenen haben. Auch Veränderungen von Lieferketten aufgrund der US-Handelspolitik sollten beobachtet werden. Sollte ein Ziel der US-Regierung beispielsweise sein, mehr ausländische Unternehmen in die USA zu locken, könnte auch dies Einfluss auf bestehende und langfristige Lieferbeziehungen haben.

Verträge checken, abweichende Regelungen identifizieren

Soweit keine abweichende Regelung in Verträgen enthalten ist, fallen Einfuhrzölle grundsätzlich auf Seiten des Importeurs an. Die Zusatzkosten wird er dann in der Regel versuchen weiterzureichen. Allerdings ist es im internationalen Handel üblich, dass hiervon abweichende Regelungen getroffen werden. Es gilt deshalb, eventuelle vertragliche Sonderregelungen zu identifizieren und wenn nötig anzupassen.

Zum Teil wird dem Exporteur die Verzollung im Bestimmungsstaat übertragen; bisweilen findet sich auch eine Regelung zur Teilung von Kosten. Bei internationalen Warenlieferungen regelt in der Mehrzahl aber die Wahl des jeweiligen Incoterm die Verzollung der Ware. Die Incoterms sind freiwillige allgemeine Regeln zum internationalen Warenverkehr und regeln Rechte und Pflichten von Verkäufer und Käufer. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Incoterm "Delivered Duty Paid" (DDP), der den Exporteur zum Importeur und damit zum Zollschuldner macht. Auf diese Besonderheit ist sowohl in bestehenden als auch in neu zu verhandelnden Verträgen unbedingt zu achten, weil sie das Kostenrisiko umkehrt.

Verträge kündigen: Kein Wegfall der Geschäftsgrundlage

Anwältinnen und Anwälte betroffener Unternehmen sollten zusätzlich bestehende Verträge dahingehend überprüfen, ob der Mandant oder der Vertragspartner Verträge gegebenenfalls anpassen oder gar kündigen kann. Die Zölle haben Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Handelsgeschäfts, so dass insbesondere Kündigungs-Regelungen an Bedeutung gewinnen.

Im deutschen Recht besteht ein gesetzliches Anpassungs- und Kündigungsrecht beim Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Die Anwendung der Norm setzt allerdings nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass ein Ereignis für die Parteien unerwartet kommt und eine unveränderte Erbringung der Leistung unzumutbar macht. Sowohl mit Blick auf die Höhe der bisherigen Zölle als auch mit Blick auf vertragliche Risikoverteilungen wird man eine Unzumutbarkeit jedoch nicht ohne Weiteres begründen können. Auch die Historie der US-Zollpolitik unter der Präsidentschaft von Donald Trump lässt zumindest daran zweifeln, ob die Entwicklungen zu den Zöllen für die Parteien gänzlich unerwartet kamen.

Vertragliche Regelungen, die zum Teil über das Schutzniveau der gesetzlichen Norm zum Wegfall der Geschäftsgrundlage hinausgehen, sind Klauseln zu höherer Gewalt (force majeure) und anderen Härtefällen (hardship). Beiden Regelungen ist in ihren Standardausprägungen gemein, dass sie ebenfalls an Elemente der Vorhersehbarkeit und Zumutbarkeit anknüpfen. In der Regel wird man unter Standardregelungen daher zu keinem anderen Ergebnis gelangen als unter einer Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Es kommt aber auf die jeweilige Formulierung im Einzelfall an. Beispielsweise enthalten Force-Majeure Klauseln in der Praxis oftmals einen individuellen Katalog mit vordefinierten Ereignissen, die per se als Fälle höherer Gewalt zu behandeln sind. Gleiches gilt bei Hardship-Klauseln. Hier ist zu prüfen, ob und inwieweit Zölle sprachlich oder sinngemäß erfasst sind.

Preisanpassungen in Betracht ziehen

Weitere Klauseln, die regelmäßig anzutreffen sind, sind Preisanpassungsklauseln. Das trifft insbesondere auf langfristige Lieferverträge zu. Von diesen Klauseln gibt es verschiedenste Ausprägungen. Verbindendes Element ist, dass sie einen Mechanismus festlegen, der auf eine Anpassung der vertraglich festgelegten Preisstrukturen zielt. In der schwächsten Form besteht ein Verhandlungsrecht. Aber auch hier ist auf die Formulierung im Einzelfall zu achten.

Das Verhandlungsrecht kann im Einzelfall sprachlich sehr stark ausgestaltet sein. Bisweilen sehen Klauseln auch eine Pflicht der Parteien vor, sich auf ein interessengerechtes Ergebnis zu einigen, ohne dieses näher zu spezifizieren. In Verbindung mit weiteren Vertragsrechten, wie beispielsweise Zurückbehaltungsrechten, kann auch in solchen Fällen dann eine starke Rechtsposition entstehen.

Unabhängig von vertraglichen Rechten sollten Anwältinnen und Anwälte betroffener Unternehmen auf neue Verhandlungen hinwirken. Gerade im Rahmen von langfristigen Lieferbeziehungen besteht oftmals ein Interesse auch der Gegenpartei, negative Auswirkungen auf die Lieferung und Verfügbarkeit der Waren so gut es geht zu vermeiden.

Nils Kupka ist Rechtsanwalt und Partner bei Gowling WLG in Frankfurt a.M. und im Bereich Konfliktlösung tätig.

Redaktion beck-aktuell, Gastbeitrag von Nils Kupka, 10. April 2025.

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