Einfrieren der Schuldenbremse: Giffey dafür, Lindner dagegen
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© Hauke-Christian Dittrich / dpa

Soll die Bundesregierung neue Schulden aufnehmen, um den aktuellen Krisen zu begegnen? Wenn es nach Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geht, lautet die Antwort nein. Doch das sehen nicht alle so: Die Berliner SPD-Chefin Franziska Giffey plädiert für ein Einfrieren der Schuldenbremse.

Giffey schließt sich damit einem Vorstoß von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) an, dessen Stellvertreterin sie ist. Wegner hatte gefordert, die Schuldenbremse für fünf Jahre auf Eis zu legen, um Investitionen in neue Schulen, die Wohnungsbauförderung und Hilfen für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung zu ermöglichen.

"Die Äußerungen aus der CDU zeigen, dass nachhaltig tragfähige Staatsfinanzen keine Selbstverständlichkeit sind", sagte Lindner der "Rheinischen Post" (Samstag) mit Blick auf Wegners Vorstoß. "Es wird einerseits massiv Steuergeld verteilt, andererseits soll der Unwille zur Prioritätensetzung dann mit Schulden verwischt werden. Zum Glück hat die Schuldenbremse Verfassungsrang und ist nicht ins Belieben von Politikern gestellt", machte der FDP-Vorsitzende deutlich. Er nannte den von Wegner vorgeschlagenen Weg "riskant".

Bundesjustizminister Marco Buschmann äußerte sich am Sonntagnachmittag ähnlich. Die Schuldenbremse sei ein Gebot des Grundgesetzes, schrieb der FDP-Politiker auf Twitter. "Man kann sie nicht beliebig einfrieren oder auftauen wie ein Stück Brot. Sie ist eine rechtliche Leitplanke für die Politik und wer es mit dem Rechtsstaat ernst meint, muss sie auch einhalten."

Unterschiedliche Stimmen aus der Union

Giffey dagegen unterstützt Wegners Vorschlag. "Deutschland droht durch Preis- und Zinssteigerungen, durch Abwanderung von Unternehmen und durch Engpässe bei Fachkräften eine sich verschärfende wirtschaftliche Lage", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". "Eine weitere zeitlich begrenzte Lockerung der Schuldenbremse sollte deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern ernsthaft diskutiert werden."

Auch der Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff (SPD) pflichtete dem bei. Es zeige sich, dass zur Einhaltung der Schuldenbremse nicht unnötige Ausgaben reduziert würden, sondern bei dringend notwendigen Investitionen gekürzt werde, sagte der er der Zeitung. "Die Schuldenbremse sollte aktuell mindestens ausgesetzt werden, in besseren Zeiten spricht aus meiner Sicht auch nichts gegen Haushaltskonsolidierung, dies geht allerdings auch ohne Schuldenbremse", sagte er.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte die Forderungen seines Parteikollegen Wegner dagegen zurückgewiesen. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, sagte der "Rheinischen Post": "Die Einhaltung der Schuldenbremse ist für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gesetzt". Die Rekordsteuereinnahmen zeigten, dass kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem vorliege. Hier helfe nur zu priorisieren.

Auch Wirtschaftsexperten sind geteilter Meinung

Aus der Wirtschaft kamen gemischte Stimmen. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sprach sich gegen die Schuldenbremse aus. "Die Schuldenbremse ist schädlich und ein Überbleibsel einer vergangenen Zeit", sagte er der "SZ". Er empfahl stattdessen eine Mindestgrenze für ökologische, wirtschaftliche und soziale Investitionen, damit Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig blieben.

Auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hatte Wegners Vorstoß gutgeheißen. "Die Schuldenbremse erweist sich als Steuersenkungsbremse", sagte Hüther der "Rheinischen Post".

Die Vorsitzende der "Wirtschaftsweisen", Monika Schnitzer, hingegen sagte der "SZ", eine Aussetzung der Schuldenbremse, um Konjunkturprogramme zu finanzieren, wäre keine gute Idee. Am ehesten wäre aber an eine Aussetzung zu denken, wenn der Staat dann den Wohnungsbau und die energetische Gebäudesanierung vorantreiben würde.

Redaktion beck-aktuell, 7. August 2023 (dpa).