Ausschuss macht Weg frei für Entscheidung über "Ehe für alle"

Der Bundestag wird noch in dieser Woche über die "Ehe für alle" entscheiden – gegen den Willen der Unions-Spitze. SPD, Linke und Grüne setzten am 28.06.2017 im Rechtsausschuss des Bundestages mit knapper Mehrheit durch, dass das Thema kurzfristig am 30.06.2017 auf die Tagesordnung des Parlaments kommt. Ein solches rot-rot-grünes Votum gegen die Stimmen der Union ist ein bemerkenswerter Vorgang und bedeutet eine offene Konfrontation zwischen den Koalitionspartnern. Die Spitzen der Unions-Fraktion hatten sich gegen eine Abstimmung vor der Bundestagswahl ausgesprochen. Im Bundestag gilt eine Mehrheit für die "Ehe für alle" als sicher.

Koalition in der Frage gespalten

Dem Parlament liegen bereits seit längerem drei Gesetzentwürfe für die uneingeschränkte Homo-Ehe vor – von Linken (BT-Drs. 18/8), Grünen (BT-Drs. 18/5098) und vom Bundesrat (BT-Drs. 18/6665). Linke und Grüne zogen nach ihrer Zustimmung zum Gesetzentwurf des Bundesrates ihre eigenen Gesetzentwürfe zurück. Über den Antrag der Länderkammer soll nun abgestimmt werden. Die große Koalition ist in der Frage gespalten und hat bislang eine Abstimmung dazu verhindert, indem sie das Thema im Rechtsausschuss 30 Mal vertagte.

Merkel rückt von klarem "Nein" der CDU ab

Die jahrelange Debatte gewann plötzlich enorm an Tempo, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 26.06.2017 überraschend vom klaren "Nein" der CDU in dieser Frage abgerückt war und öffentlich von einer Gewissensentscheidung gesprochen hatte. Die SPD nahm das zum Anlass, eine schnelle Parlamentsabstimmung durchzusetzen und die Union damit drei Monate vor der Bundestagswahl in die Enge zu treiben.

SPD stimmte mit Opposition für Neuregelung

SPD, Linke und Grüne votierten im Rechtsausschuss geschlossen dafür, das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des Parlaments zu hieven. Abgeordnete der drei Fraktionen äußerten sich zufrieden. Der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner sagte: "Es darf in Deutschland keine Liebe erster und zweiter Klasse geben." Die Union stimmte im Ausschuss gegen das Vorhaben.

Union kritisiert Vorgehen der SPD

Die Unions-Spitze hatte sich gegen eine Abstimmung vor der Bundestagswahl gesperrt – und wirft der SPD wegen ihres Vorstoßes "Vertrauensbruch" vor. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nannte das Vorgehen der Sozialdemokraten "unwürdig" und beschuldigte sie, das Thema als "Wahlkampfmunition" zu missbrauchen. Merkel selbst hatte das Vorgehen der SPD in der Unionsfraktion am 27.06.2017 laut Teilnehmerkreisen als "überfallartig" kritisiert.

Unterschiedliche Meinungen zur "Ehe für alle" auch innerhalb der CDU

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn beklagte ein Eiltempo bei dem Thema. Im ARD-"Morgenmagazin" kritisierte er, die Sozialdemokraten hielten sich nicht an die ursprüngliche Absprache der Koalition, zu dem Thema keine Beschlüsse zu fassen. Spahn bemängelte jedoch nur das Verfahren. In der Sache ist er dafür und kündigte an, für die Öffnung der Ehe zu stimmen. Andere Unions-Politiker lehnen das Vorhaben dagegen vehement ab und haben bereits ein "Nein" bei der Abstimmung im Parlament in Aussicht gestellt – unter anderen Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU).

SPD-Fraktionschef fordert namentliche Abstimmung

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kündigte an, bei der anstehenden Entscheidung im Bundestag eine namentliche Abstimmung zu beantragen, um offenzulegen, welche Abgeordeneten hinter der Ehe für alle stehen.

Fraktionszwang entfällt

Mehrere Abgeordnete aus dem Rechtsausschuss sagten, die Abstimmung werde voraussichtlich am 30.06.2017 zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden – als einer der letzten Tagesordnungspunkte vor der parlamentarischen Sommerpause. Die CDU/CSU-Fraktion hat die Entscheidung zur Gewissensfrage erklärt. Damit entfällt der sogenannte Fraktionszwang, der Abgeordnete an eine vorgegebene Linie binden soll.

Künast rechnet mit "überwältigender Mehrheit"

Die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), sagte, sie rechne am 30.06.2017 mit einer "überwältigenden Mehrheit". Am 07.07.2017 soll sich der Bundesrat abschließend damit befassen. Künast sagte, die Regelung könne wohl ein paar Wochen später in Kraft treten. "Ab da kann geheiratet werden", sagte sie. "Ich rate schon mal allen Standesämtern in der Bundesrepublik, ihr Personal aufzustocken."

Bislang nur eingetragene Lebenspartnerschaft möglich

In Deutschland gibt es für schwule und lesbische Paare seit 2001 die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Die ist aber rechtlich nicht mit der Ehe gleichgesetzt. Künast sagte, wer eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sei, könne künftig beim Standesamt beantragen, dass diese in eine Ehe umgewandelt werde.

Redaktion beck-aktuell, 28. Juni 2017 (dpa).

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