In Bezug auf die Beratende Kommission waren sich die Sachverständigen einig, dass bei einem Streit um die Rückgabe von NS-Raubgut nicht mehr beide Parteien (Antragsteller und derzeitiger Besitzer) mit dem Anrufen der Beratenden Kommission einverstanden sein müssen. Das Anrufen einer Seite bei der Kommission sehen alle als ausreichend an. Anders sah das Meinungsbild bezüglich einer Regelung für ein Restitutionsgesetz aus, das das bisherige Kommissionsverfahren ablösen könnte. Hier waren die Ansichten sehr unterschiedlich.
Rechtsanwalt Christoph J. Partsch hält ein umfassendes Restitutionsgesetz für sinnvoll. Es könne im Detail Punkte wie die Verjährung, die Ersitzung oder die Beweislastumkehr regeln, aber auch ganz zentral die Stellung der Beratenden Kommission, etwa als verpflichtend anzuhörendes Sachverständigengremium, feststellen. Weitere denkbare Regelungen könnten den zentralen Gerichtsstand, Streitwertobergrenzen, Gerichtskosten thematisieren oder zu einem Informationsfreiheitsanspruch im Restitutionsverfahren Stellung nehmen. Ein solches Gesetz könne so dazu beitragen, die Restitution oder zumindest eine faire und gerechte Lösung für von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu verankern.
Fast 80 Jahre nach Ende der NS-Schreckensherrschaft müssten die vereinbarten Washingtoner Prinzipien als letzter noch ungelöster Bereich der NS-Restitution und Entschädigung in Deutschland endlich verbindlich umgesetzt werden, um eine Befriedung zu erreichen, forderte Rüdiger Mahlo, Deutschland-Repräsentant der Claims Conference. Dies könne zufriedenstellend nur in Form eines Bundesgesetzes erfolgen, befand er. Geltungsbereich eines NS-Raubkunstgesetzes müsse die Restitution von NS-Raubkunst im Besitz von öffentlichen Institutionen, privaten Institutionen wie Galerien und Auktionshäusern sowie von Privatpersonen sein. Mahlo sprach sich zudem für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung und einen Auskunftsanspruch aus.
Ist eine umfassende Neuregelung überhaupt nötig?
Keinen Bedarf für eine umfassende gesetzliche Regelung sieht Ulf Bischof, ebenfalls auf Restitutionsfragen spezialisierter Rechtsanwalt. Die geplante Reform mit der einseitigen Anrufbarkeit der Kommission, der Möglichkeit einer frühzeitigen Befassung sowie der Beauftragung von unabhängiger Provenienzforschung sei ausreichend. Stimmten bei der Kulturministerkonferenz am Mittwoch alle Länder dem zu, wäre das aus seiner Sicht ein weiterer Schritt zur freiwilligen Streitschlichtung. Eine gesetzliche Regelung indes könne dauern, sagte Bischof. Benötigt werde aber schnelle Abhilfe, "weil die Erben keine Zeit haben".
Auch für Marion Ackermann, Generalsdirektorin der Staatliche Kunstsammlungen Dresden, sprechen mehr Argumente gegen ein solches Gesetz als dafür. Die bisherigen Regelungen seien weitgehend funktionsfähig, urteilte sie, auch wenn es "Schärfungsbedarf" gebe, soweit bislang Privatpersonen faktisch ausgeschlossen seien. Es sei aber erheblich sinnvoller, das aktuelle Regelsystem auf Basis der bestehenden Praxis zu überarbeiten, statt es durch ein Restitutionsgesetz außer Kraft zu setzen.
Rechtsanwältin Agnes Peresztegi sprach sich in der Anhörung für die Beibehaltung des bisherigen Verfahrens aus. Es biete ein viel geeigneteres Forum für die Behandlung von Restitutionsansprüchen als die Gerichte, sagte sie. Benötigt werde aber ein Restitutionsgesetz für die Privatsammlungen. Dorthin gerichtete Ansprüche könnten mit der Beratenden Kommission nicht geklärt werden. "Das funktioniert einfach nicht", sagte Peresztegi. Noch eins gab die Expertin zu bedenken: Sollte ein Restitutionsgesetz in Erwägung gezogen werden, sollte ihrer Auffassung nach auch klar sein, "dass Fristen nicht möglich sind". Die seit über 20 Jahren andauernden Forschungen seien noch nicht einmal annähernd abgeschlossen. "Solange nicht alle relevanten öffentlichen Archive digital zugänglich sind und nicht auf einfache Weise und umfassend durchsucht werden können, lässt sich nicht über Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen diskutieren", sagte sie.