Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sieht Erhöhung des Kurzarbeitergeldes vor
Für diejenigen, die Kurzarbeitergeld für ihre um mindestens 50% reduzierte Arbeitszeit beziehen, soll der Betrag ab dem vierten Monat des Bezugs auf 70% (77% für Haushalte mit Kindern) und ab dem siebten Monat des Bezuges auf 80% (87% für Haushalte mit Kindern) des pauschalierten Netto-Entgelts erhöht werden. Diese Regelung soll bis Ende 2020 gelten. Außerdem sollen für Beschäftigte in Kurzarbeit ab dem 01.05.2020 bis zum 31.12.2020 die Hinzuverdienstmöglichkeiten mit einer Hinzuverdienstgrenze bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens für alle Berufe geöffnet werden.
DGB hält Maßnahmen für nicht ausreichend
Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist es "ausnahmsweise gerechtfertigt, das Kurzarbeitergeld anzuheben", wie DGB-Vertreter Johannes Jakob sagte. Allerdings habe sich der Gesetzgeber für eine relativ komplizierte Regelung entschieden, die durch die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) sehr aufwendig geprüft werden müsse. Vor allem mit Blick auf die derzeit stark betroffene Dienstleistungsbranche wie etwa das Gastgewerbe seien die Kurzarbeitergeldsätze zu niedrig, befand Jakob. Auch mit der geplanten Aufstockung kämen viele nicht über den Hilfebedarf der Grundsicherung.
BfA befürchtet erhebliche Mehraufwendungen für die Abrechnung
Eva Strobel von der BfA bestätigte, dass der Aufwand für die Kurzarbeitergeld-Abrechnung steigen werde. Es müsse "arbeitnehmerbezogen für jeden Monat und für jeden Kurzarbeiter nachträglich in den Abrechnungslisten der Abgleich mit den Arbeitszeit- und den Arbeitsentgeltunterlagen bei den Arbeitgebern geprüft werden". Bei potenziell bis zu zehn Millionen Kurzarbeitern sehe die BfA trotz aller Bemühungen um eine Verschlankung des Verfahrens erhebliche Mehraufwendungen, sagte Strobel.
Arbeitgeber: Pauschale Anhebung gefährdet Liquidität der Arbeitgeber
Jürgen Wuttke von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bezeichnete die Regelung als "sozialpolitisch fragwürdig". Die pauschalen Anhebungen des Kurzarbeitergeldes dienten nicht der gezielten Bekämpfung von Notlagen im Einzelfall, "sondern befeuern Erwartungshaltungen an den Sozialstaat, die ihn langfristig finanziell völlig überfordern werden", sagte Wuttke. Seiner Ansicht nach werden unerfüllbare Ansprüche an den Sozialstaat geweckt, wenn selbst besonders gutverdienende Facharbeiter bei 50% Arbeitsausfall auf Niveaus von mehr als 90% ihres normalen Nettoeinkommens abgesichert werden. Zudem werde die Liquidität der Arbeitgeber gefährdet, weil sie das Kurzarbeitergeld vorfinanzieren müssten.
Experten für einheitlich höheren Kurzarbeitergeldsatz
Der Einzelsachverständige Stefan Sell forderte Verbesserungen insbesondere für kleine bis mittlere Einkommensbereiche. Ziel sollte sein, so schnell wie möglich die finanzielle Lage vor allem der überdurchschnittlich von Kurzarbeit betroffenen Niedriglöhner zu verbessern, "und eben nicht eine schrittweise Anhebung für alle, die aber erst nach einigen Monaten Wartezeit kommt", sagte er. Bernd Fitzenberger vom Institut für Arbeits- und Berufsforschung hätte nach eigener Aussage "sehr viel Sympathie dafür gehabt, dass bei Betrieben, die jetzt in den Lockdown kommen und Kurzarbeit Null machen, kurzfristig die Einkommenssicherung stattfindet". Ein einheitlich höherer Kurzarbeitergeldsatz sei auch von der Administration her einfacher, sagte er.
Paritätischer Wohlfahrtsverband fordert Bremse für Dividenden und Vorstands-Boni
Werner Hesse vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband forderte die Politik auf, sicherzustellen, dass sich Unternehmen nicht auf Kosten der Beitragszahler durch das Kurzarbeitergeld entlasten und gleichzeitig Dividenden und Vorstands-Boni weiter in gewohnter Größenordnung auszahlen. "Da muss eine Bremse eingezogen werden", sagte Hesse. Die geplante Unterstützung für bedürftige Familien mit 150 Euro für den Kauf eines Laptops bewertete er als zu niedrig. Sinnvoll seien 450 Euro, die über das Bildungs- und Teilhabepaket im SGB II finanziert werden könnten. Auch aus Sicht des Deutschen Caritasverbandes ist der Betrag zu gering. "Wir brauchen auf jeden Fall noch ergänzend einen Zuschuss", sagte Caritas-Vertreterin Birgit Fix. Wichtig sei auch eine schnell kommende Regelung. Bildungsungleichheit verschärfte die Situation der Familien immens, gab sie zu bedenken.