Arbeit auf Offshore-Supply-Schiffen im deutschen Küstenmeer erfordert Aufenthaltstitel

Seeleute aus Drittstaaten, die nur über ein nicht zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteiltes Schengen-Visum (Typ C) verfügen beziehungsweise visumbefreit sind und als Besatzungsmitglieder eines unter panamaischer Flagge fahrenden Seeschiffs einer Erwerbstätigkeit auf einem Offshore-Supply-Schiff im deutschen Küstenmeer nachgehen wollen, benötigen einen Aufenthaltstitel, der zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht im Fall mehrerer ukrainischer Seemänner entschieden.

Bundespolizei stellte Ausreisepflicht fest

Die Kläger, ukrainische Staatsangehörige, verrichteten im Herbst 2017 als Seeleute an Bord eines unter panamaischer Flagge fahrenden Offshore-Supply-Schiffes Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung eines vor der deutschen Küste gelegenen Offshore-Windparks. Bei einer Kontrolle während des Einsatzes im Küstenmeer stellte die Bundespolizei fest, dass diese Seeleute ausreisepflichtig sind und setzte ihnen per Bescheid eine Ausreisefrist von zwei Tagen. Sie seien ohne erforderliche Erlaubnis einer Beschäftigung nachgegangen, so die Begründung.

VG bejaht Befreiung von Aufenthaltstitel

Das Verwaltungsgericht hat der daraufhin erhobenen Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Kläger bei ihren Arbeitseinsätzen im deutschen Küstenmeer als Transitaufenthalt vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit seien (BeckRS 2019, 3153). Diese Befreiung sei auch nicht lediglich an kurzfristige Aufenthalte – etwa zum Zweck der friedlichen Durchfahrt im Sinne des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) – geknüpft.

BVerwG teilt Ansicht der Vorinstanz nicht

Das BVerwG hat der (Sprung-)Revision der Beklagten stattgegeben. Die erhobene Feststellungsklage sei hier zwar zulässig, aber nicht begründet. Drittstaatsangehörige Besatzungsmitglieder eines (hier) panamaischen Offshore-Supply-Schiffes bedürften für einen Arbeitseinsatz im deutschen Küstenmeer eines Aufenthaltstitels, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige; ein von einem anderen Vertragsstaat ausgestelltes Schengen-Visum (Typ C) reiche allein nicht aus, so die Leipziger Richter.

Flaggenstaatsprinzip gilt nicht für Küstenmeer

Die Anwendbarkeit des deutschen Aufenthaltsrechts sei nicht bereits kraft Völkerrechts, insbesondere des sogenannten Flaggenstaatsprinzips (Art. 90 und 91 SRÜ) ausgeschlossen, weil die diesbezüglichen Bestimmungen des Abkommens nicht für das Küstenmeer gölten.

Ansicht des VG widerspricht Bundesrecht

Die Auffassung des VG, dass die Kläger vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels nach § 26 Abs. 1 AufenthV für den von ihnen angestrebten Arbeitseinsatz vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind, sei indes mit Bundesrecht nicht vereinbar. Auch bei einer Einfahrt auf dem Seeweg sei bereits fraglich, ob ein Aufenthalt "ohne Einreise" im Sinne des § 26 AufenthV in Verbindung mit § 13 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Die Auslegung des § 26 Abs. 1 AufenthV ergebe jedenfalls, dass der Anwendungsbereich dieser Norm nicht eröffnet ist, wenn sich drittstaatsangehörige Seeleute als Besatzungsmitglieder auf einem Offshore-Supply-Schiff im deutschen Küstenmeer aufhalten, um dort zu arbeiten. Der Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 AufenthV erfasst laut BVerwG lediglich den grenzüberschreitenden Durchgangsverkehr, der – auch in Realisierung des Rechts der friedlichen Durchfahrt (Art. 17 SRÜ) – dem Transit von Personen und Waren dient, aber nicht den Aufenthalt im Küstenmeer zum Zweck von Offshore-Arbeiten.

BVerwG, Urteil vom 27.04.2021 - 1 C 13.19

Redaktion beck-aktuell, 28. April 2021.