Auch Bun­des­rat bil­ligt Wie­der­auf­nah­me trotz rechts­kräf­ti­gen Frei­spruchs
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Bei schwers­ten Straf­ta­ten ist es künf­tig mög­lich, Straf­pro­zes­se er­neut auf­zu­rol­len, auch wenn sie mit einem Frei­spruch rechts­kräf­tig ab­ge­schlos­sen wur­den. Ein ent­spre­chen­des vom Bun­des­tag be­schlos­se­nes Ge­setz hat der Bun­des­rat am Frei­tag durch Ver­zicht auf ein Ver­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­bil­ligt. Be­den­ken äu­ßer­te die Län­der­kam­mer al­ler­dings zur ge­plan­ten Auf­he­bung der zi­vil­recht­li­chen Ver­jäh­rung und bat diese Re­ge­lung noch­mals zu über­prü­fen.

Neue Be­wei­se für schwers­te Straf­ta­ten

Wie der Bun­des­rat mit­teil­te, ist Vor­aus­set­zung für die Wie­der­auf­nah­me, dass sich aus nach­träg­lich ver­füg­ba­ren Be­weis­mit­teln die hohe Wahr­schein­lich­keit einer Ver­ur­tei­lung des oder der Frei­ge­spro­che­nen er­gibt. Nach gel­ten­der Rechts­la­ge ist die Wie­der­auf­nah­me zu­un­guns­ten einer rechts­kräf­tig frei­ge­spro­che­nen Per­son ohne deren Ge­ständ­nis nicht mög­lich, selbst wenn nach­träg­lich neue Be­wei­se oder Tat­sa­chen vor­lie­gen, die einen ein­deu­ti­gen Nach­weis der Tä­ter­schaft er­lau­ben. Dies führe vor allem bei schwers­ten Straf­ta­ten wie Mord und Völ­ker­mord sowie Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit zu un­be­frie­di­gen­den Er­geb­nis­sen, heißt es in der Ge­set­zes­be­grün­dung.

Mo­der­ne Un­ter­su­chungs­me­tho­den füh­ren zu Aus­nah­me vom Grund­satz der Rechts­kraft

Neue be­las­ten­de In­for­ma­tio­nen könn­ten ins­be­son­de­re dann ent­ste­hen, wenn es nach dem Frei­spruch neue Un­ter­su­chungs­me­tho­den gebe – wie dies bei­spiels­wei­se seit den spä­ten 1980er-Jah­ren mit der Ana­ly­se von DNA-Ma­te­ri­al der Fall ge­we­sen sei oder es künf­tig auch durch die di­gi­ta­le Fo­ren­sik zu er­war­ten sei. Neue tech­ni­sche Ver­fah­ren führ­ten dazu, dass zum Zeit­punkt des be­tref­fen­den Straf­ver­fah­rens be­reits vor­han­de­ne und den Er­mitt­lungs­be­hör­den be­kann­te Be­weis­mit­tel neu aus­ge­wer­tet wer­den kön­nen. Wenn diese einen si­che­ren Tat­nach­weis er­mög­lich­ten, wäre das Fest­hal­ten an der Rechts­kraft des ur­sprüng­li­chen Frei­spruchs ein un­er­träg­li­cher Ge­rech­tig­keits­ver­stoß, be­grün­de­te der Bun­des­tag sei­nen Be­schluss vor ei­ni­gen Wo­chen. Bei schwers­ten Straf­ta­ten könn­te daher künf­tig ein wei­te­res Ver­fah­ren fol­gen.

Än­de­run­gen bei zi­vil­recht­li­cher Ver­jäh­rung

Zudem ver­jäh­ren zi­vil­recht­li­che An­sprü­che der Opfer gegen Tä­te­rin­nen oder Täter schwers­ter, nicht ver­jähr­ba­rer Ver­bre­chen nach der Neu­re­ge­lung nicht mehr wie bis­her nach 30 Jah­ren. In einer be­glei­ten­den Ent­schlie­ßung äu­ßert der Bun­des­rat al­ler­dings Be­den­ken gegen die vom Bun­des­tag be­schlos­se­ne Auf­he­bung der zi­vil­recht­li­chen Ver­jäh­rung. Trotz Tod des Tä­ters oder der Tä­te­rin könn­ten künf­tig die Erben un­be­grenzt mit An­sprü­chen der Opfer kon­fron­tiert wer­den. Der Bun­des­rat bit­tet daher die Bun­des­re­gie­rung, diese Re­ge­lung noch­mals zu über­prü­fen.

Redaktion beck-aktuell, 17. September 2021.

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