Atomkraftgegner werfen Energiekonzernen Trickserei vor

Atomkraftgegner halten den Verzicht der Stromkonzerne auf ein Bündel von Klagen gegen den Bund wegen des Ausstiegs aus der Kernenergie für einen leicht durchschaubaren Schachzug. "Wenn die AKW-Betreiber jetzt 20 Klagen fallen lassen, so ist das nicht viel mehr als eine PR-Maßnahme", sagte Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt", laut Mitteilung am 10.12.2016 in Berlin.

Nur kleiner Anteil zurückgezogen

In diesen Verfahren gehe es lediglich um 600 bis 800 Millionen Euro. Dagegen umfassten die Klagen, an denen die Konzerne festhalten, ein Volumen von elf bis zwölf Milliarden Euro. Zurückgezogen werde also lediglich ein Anteil von 5 bis 7%. So hält der schwedische Staatskonzern Vattenfall daran fest, in Washington vor einem internationalen Schiedsgericht rund 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz von Deutschland zu erstreiten.

Zurückgezogene Klagen zudem zum Teil aussichtslos

Die 20 Klagen, die jetzt von Eon, RWE, Vattenfall und EnBW aufgegeben würden, seien teilweise juristisch aussichtslos, meinte Stay. Manche hätten die AKW-Betreiber bereits in ersten Instanzen verloren. Bei anderen sei klar, dass die geforderten Summen nicht zu halten seien. "Der Jubel in den Parteien ist verfehlt."

Verzicht auf alle Klagen gefordert

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) begrüßte das Fallenlassen der Klagen als "einen ebenso fälligen wie respektablen Beitrag zum Rechtsfrieden". Sie fügte hinzu: "Es läge in der Konsequenz der heutigen Erklärung, wenn nun auch Vattenfall seine Klage vor dem internationalen Schiedsgerichtshof in Sachen Krümmel zurückziehen würde." Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD und Grünen werteten die Entscheidung der Konzerne als wichtigen Schritt, "um nach Jahren rechtlicher und politischer Auseinandersetzungen zu einer dauerhaften und umfassenden Befriedung des Themas Atomenergie zu kommen". Auch sie forderten einen Verzicht auf alle Klagen.

Gesetzespaket zu Finanzierung des Atomausstiegs bereits beschlossen

Mit ihrer Ankündigung, einen Teil der Klagen zurückzuziehen, reagieren die Konzerne auf ein vom Kabinett bereits beschlossenes Gesetzespaket zur Finanzierung des Atomausstiegs. Demnach sollen die vier Unternehmen ab Januar 2017 bis zum Jahr 2022 rund 23,55 Milliarden Euro bar in einen staatlichen Fonds überweisen, der die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll in den nächsten Jahrzehnten managen soll. Im Gegenzug geht das Haftungsrisiko an die Steuerzahler über. Am 15.12.2016 soll der Bundestag das Milliardenpaket verabschieden.

Fonds soll Geld für Atomausstieg sichern

Für Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke sowie Verpackung des radioaktiven Abfalls sollen die Unternehmen verantwortlich bleiben. Der Staat würde mit dem Fonds Geld für den Atomausstieg sichern, das bei Konzernpleiten verloren wäre. Das letzte Atomkraftwerk in
Deutschland soll 2022 vom Netz gehen. Aktuell sind acht in Betrieb.

Angemessener Ausgleich für sinnlose Investitionen zu zahlen

Der beschleunigte Atomausstieg vor fünf Jahren nach der Katastrophe im japanischen Fukushima hat für die Bundesregierung so oder so noch ein Nachspiel. Den Energiekonzernen steht für sinnlos gewordene Investitionen und verfallene Produktionsrechte ein angemessener Ausgleich zu. Dies stellte gerade das Bundesverfassungsgericht nach Klagen von Eon, RWE und Vattenfall fest. Dabei dürfte es nach Angaben der Regierung aber nicht um Milliardensummen gehen. Vielmehr dürfte sich die Entschädigung im dreistelligen Millionenbereich abspielen.

Redaktion beck-aktuell, 12. Dezember 2016 (dpa).

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