Assange bleibt weiter in Haft

Der Wikileaks-Gründer Julian Assange muss vorerst im Gefängnis bleiben. Ein Londoner Gericht hat am 06.01.2021 den Antrag der Verteidigung abgelehnt, den 49-Jährigen gegen Kaution oder unter Hausarrest aus dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh zu entlassen. Die Richterin begründete dies mit Fluchtgefahr. Am 04.01.2021 hatte dieselbe Richterin einen Antrag der USA auf Auslieferung von Assange abgelehnt.

Richterin sieht Fluchtgefahr

Richterin Vanessa Baraitser hatte die zuvor erfolgte Ablehnung der Auslieferung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen begründet, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde. Nun sagte sie, Assange könne im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gut behandelt werden. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Assange wie in der Vergangenheit versuche, zu fliehen. "Aus Fairnessgründen muss es den USA gestattet sein, meine Entscheidung anzufechten, und wenn Herr Assange während dieses Prozesses flüchtet, verlieren sie die Gelegenheit dazu." Assange verfüge weiterhin über ein riesiges Netzwerk, auf das er sich stützen könne, falls er erneut untertauchen wolle, begründete sie ihre Entscheidung.

Journalisten kritisieren Entscheidung

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) bezeichnete die Argumentation der Richterin als "völlig unverständlich". "Offensichtlich ist man in London der Meinung, die britischen Gefängnisse seien nicht so schlimm wie die in den USA. Aber Isolationshaft ist überall furchtbar", sagte der Vorsitzende Frank Überall. Ebenso scharf kritisierte die Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen das Urteil. Der Richterspruch sei "eine unnötig grausame Entscheidung", twitterte die Londoner Vertreterin der Organisation, Rebecca Vincent, der nach eigenen Angaben der Zugang zum Gericht weitgehend verwehrt blieb. Bereits zuvor hatten Beobachter und Unterstützer immer wieder kritisiert, vom Prozess weitgehend ausgeschlossen zu bleiben. Dennoch erwartet Reporter ohne Grenzen ein positives Ende des Verfahrens. "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Berufung der USA Erfolg haben wird", sagte Vincent noch vor dem neuen Urteil der Deutschen Presse-Agentur. Auch sie hofft, dass der gewählte US-Präsident Biden nach seinem Amtsantritt die Strafverfolgung Assanges beilegen könnte. 

Assanges Anwalt fordert Freilassung aus familiären Gründen

Anwalt Fitzgerald hatte auch aus familiären Gründen für eine Freilassung plädiert. "Es ist die erste Möglichkeit, mit seinen jungen Kindern zusammenzuleben", hatte er gesagt. Assange hat mit seiner Partnerin zwei Kinder, die während seines fast siebenjährigen Aufenthalts in der ecuadorianischen Botschaft geboren wurden. Damals lag gegen ihn ein europäischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden vor. Die Ermittlungen wurden jedoch später eingestellt. 

USA-Vertreterin warnte vor Haftentlassung

Ein Erfolg ist das Urteil für die USA. Deren Gerichtsvertreterin Clair Dobbin hatte vor einer Haftentlassung gewarnt. "Er hat gezeigt, dass er sehr viel auf sich nehmen kann, um einer Auslieferung zu entgehen", sagte sie und verwies auch auf Hilfs- und Asylangebote wie zuletzt Mexiko. Dobbin sagte, Assange habe das Vertrauen derjenigen ausgenutzt, die sich auf ihn verlassen hätten. Er betrachte sich als über dem Gesetz stehend.

Linke fordert Engagement der Bundesregierung 

Die stellvertretende Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Heike Hänsel, forderte die deutsche Regierung auf, sich für den Wikileaks-Gründer einzusetzen: "Die Entscheidung der britischen Justiz ist ein Anschlag auf das Leben und die Gesundheit von Julian Assange", sagte Hänsel. "Die Bundesregierung muss sich mit allen Mitteln dafür stark machen, dass Julian Assange im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh nicht zu Tode kommt."

Verstoß gegen Kautionsauflagen

Assange sitzt seit 15 Monaten in Belmarsh im Südosten Londons in Haft, weil er 2012 mit seiner Flucht in die ecuadorianische Botschaft gegen Kautionsauflagen verstoßen hatte. Kritiker bemängeln die Zustände in dem Hochsicherheitsgefängnis stark. Anwalt Edward Fitzgerald wies vor Gericht darauf hin, dass es in Assanges Zellentrakt einen starken Corona-Ausbruch gegeben habe. Richterin Baraitser allerdings betonte unter Berufung auf aktuelle Zahlen der Gefängnisleitung, dass derzeit nur drei Gefangene infiziert seien. 

USA werfen Assange Geheimnisverrat vor

Die US-Justiz wirft Assange vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning - damals Bradley Manning - geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Er habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Seinen Unterstützern gilt er hingegen als investigativer Journalist, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat.

Redaktion beck-aktuell, Benedikt von Imhoff und Larissa Schwedes, 7. Januar 2021 (dpa).