ArbG Kiel: Einigungsstellenspruch über Mindestbesetzung mit Pflegekräften kann rechtmäßig sein

Die Vorgabe einer Mindestbesetzung mit Pflegepersonal ist eine Maßnahme, mit der einer Gesundheitsgefährdung der eigenen Beschäftigten durch Überlastung begegnet werden kann und über die die Einigungsstelle durch Spruch entscheiden darf. Dies hat das Arbeitsgericht Kiel mit Beschluss vom 26.07.2017 entschieden. Schreibe der Spruch eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Zahl von Pflegekräften für bestimmte Belegungssituationen vor, sei er nicht per se rechtswidrig (Az.: 7 BV 67c/16).

Einigungsstellenspruch sieht Mindestbesetzung vor

Im zugrundeliegenden Fall kam es in der Vergangenheit zwischen der Arbeitgeberin, die eine Klinik betreibt, und dem Betriebsrat wiederholt zu Auseinandersetzungen über die Frage der Mindestbesetzung für den Pflegedienst auf bestimmten Stationen. Schließlich wurde im Frühjahr 2013 eine Einigungsstelle zur Beilegung ihrer Meinungsverschiedenheiten gebildet. Die Einigungsstelle holte insgesamt drei Gutachten zur konkreten Belastungs- und Gefährdungssituation des auf diesen Stationen tätigen Pflegepersonals ein. Es wurde festgestellt, dass die physische und psychische Belastung eine kritische Grenze erreiche. Diese werde bei Krisensituationen - etwa bei erhöht pflegebedürftigen Patienten, Komplikationen und OP-Spitzen -  mit Wahrscheinlichkeit überschritten. Das letzte Gutachten enthält auch arbeitswissenschaftlich fundierte Aussagen und Berechnungsmethoden darüber, mit welchen Arbeitsbedingungen dem begegnet werden kann. Da nach weiteren Verhandlungen keine einvernehmliche Regelung möglich war, endete die Einigungsstelle durch einen Spruch. Dieser sieht eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Zahl von Pflegekräften für bestimmte Belegungssituationen vor. Die Arbeitgeberin machte vor dem Arbeitsgericht die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs geltend.

ArbG: Einigungstelle kann durch Spruch über Mindestbesetzung entscheiden

Die Arbeitgeberin hatte keinen Erfolg. Wie das ArbG ausführt, hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz. Das beziehe sich auch auf Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden bei konkreten Gefährdungen, die im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt worden seien. Dies folge aus §§ 3 und 5 Arbeitsschutzgesetz. Die Vorgabe einer Mindestbesetzung ist nach Auffassung des ArbG eine Maßnahme, mit der der Gefährdung der Mitarbeiter begegnet werden könne. Darüber dürfe eine Einigungsstelle durch Spruch entscheiden, sofern sich die Betriebsparteien nicht einigten.

Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit muss hier zurücktreten

Auch wenn der Arbeitgeber durch einen solchen Spruch verpflichtet werde, in Abhängigkeit der belegten Betten ein Mindestmaß an Personal vorzuhalten, liege kein rechtlicher Fehler vor, so das ArbG weiter. Dadurch sei er zwar in der Personalbesetzung nicht mehr völlig frei. Das sei ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit gemäß Art. 12 GG. Diese Freiheit kollidiere aber mit den Grundrechten der Arbeitnehmer auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG und aus Art. 31. EU-Grundrechte-Charta. Danach habe jeder Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen sowie auf eigene körperliche Unversehrtheit (Art. 31 EU-Grundrechte-Charta, Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz). Der damit verbundene Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit (Art. 12 GG) müsse dann gegebenenfalls zurücktreten. Ermessensfehler seien jedenfalls dann nicht ersichtlich, wenn keine starre Mindestbesetzung vorgeschrieben werde, sondern eine Mindestbesetzung im Verhältnis zu den belegten Betten.

ArbG Kiel, Beschluss vom 26.07.2017 - 26.07.2017 7 BV 67c/16

Redaktion beck-aktuell, 23. August 2017.

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