Kündigung einer Redakteurin wegen antisemitischer Äußerungen unwirksam

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Kündigung einer Redakteurin des Senders Deutsche Welle wegen antisemitischer Äußerungen für unwirksam erklärt. Die Äußerungen seien vor Bestehen eines Vertragsverhältnisses zum Sender erfolgt, sodass es an einer Pflichtverletzung fehle, befand das Gericht. Außerdem habe sich die Redakteurin mittlerweile öffentlich von ihren Äußerungen distanziert. Jetzt befasst sich das Landesarbeitsgericht mit der Angelegenheit.

ArbG gibt Klage statt – Äußerungen stammten aus Zeit vor Arbeitsverhältnis

Der Sender hatte der Redakteurin außerordentlich, hilfsweise fristgemäß verhaltensbedingt gekündigt, da ihre antisemitischen und israelfeindlichen Äußerungen den Grundsätzen der Deutschen Welle widersprächen. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Das ArbG hat den Sender zur Weiterbeschäftigung der Redakteurin verurteilt. Antisemitische Äußerungen könnten zwar auch mit Blick auf die Verletzung von Loyalitätspflichten ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein, so das Gericht. Vorliegend gehe es allerdings um Äußerungen, die zu einer Zeit vor Bestehen eines Vertragsverhältnisses zum Sender erfolgt seien, sodass es an der für eine verhaltensbedingte Kündigung erforderlichen Vertragspflichtverletzung fehle. Eine personenbedingte Kündigung habe die Beklagte nicht ausgesprochen und dazu auch nicht ihren Personalrat beteiligt.

Kein "Durchschlagen" früherer Äußerung - Klägerin hat sich distanziert

Auch bei Äußerungen während einer vorherigen Beschäftigung auf Honorarbasis könne nicht ohne weiteres ein "Durchschlagen" als Pflichtverletzung auf ein späteres Arbeitsverhältnis angenommen werden. Zudem müsse jeweils eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Zusammenhangs von Äußerungen erfolgen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Redakteurin sich in einer für die Öffentlichkeit bestimmten Erklärung von früheren Äußerungen distanziert habe und keine Abmahnung vorliege, sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar. Im Hinblick hierauf könne keine negative Prognose betreffend ein künftig zu erwartendes Fehlverhaltens gestellt werden. Unabhängig hiervon sei für die außerordentliche Kündigung die Frist von zwei Wochen ab Kenntnis der maßgeblichen Umstände nicht eingehalten. Gegen das Urteil wurde Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.

ArbG Berlin, Urteil vom 05.09.2022 - 22 Ca 1647/22

Redaktion beck-aktuell, 3. November 2022.