Geteiltes Echo auf Entsendegesetz-Novelle im Arbeitsaussschuss

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Arbeiternehmer-Entsendegesetzes mit dem Ziel der Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie in deutsches Recht ist bei einer Anhörung des Arbeitsausschusses am 15.06.2020 auf ein geteiltes Echo gestoßen. Vertreter der Gewerkschaften kritisierten, die Vorlage werde den politischen Zielsetzungen nicht gerecht. Die Arbeitgeberverbände hingegen befürchten, die geplante Neuregelung könne zu mehr Bürokratie führen.

Eckpunkte des Gesetzentwurfs

Bundesweite allgemeinverbindliche Tarifverträge sollen nach dem Gesetzentwurf nicht mehr nur im Baugewerbe gelten, sondern in allen Branchen auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland angewendet werden, wenn diese Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. Neben dem Gesetzentwurf lagen der Anhörung auch Anträge der FDP (BT-Drs. 19/259) und der Fraktion Die Linke (BT-Drs. 19/19259) zugrunde.

Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände unzufrieden

Die Vertreter der Gewerkschaften kritisierten unter anderem, die Vorlage werde den politischen Zielsetzungen, für eine Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Arbeitnehmern sowie einen fairen Wettbewerb zu sorgen, nicht gerecht. Vertreter der Arbeitgeberverbände hingegen befürchten, die geplante Neuregelung könne zu mehr Bürokratie führen und so die Entsendung von Arbeitnehmern für deutsche Unternehmen insgesamt erschweren.

DGB moniert Nichterfassung regionaler Tarifverträge in Gesetzentwurf

Besonders strittig bewertet wurde in der Anhörung unter anderem, dass regionale Tarifverträge nicht vom Gesetzentwurf erfasst werden sollen. So betonte Nadine Absenger vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), dass die regionalen Tarifverträge ihre Wirkung bislang nur bei Langzeitentsendungen entfalten würden. "Das ist eine Einschränkung der EU-Entsenderichtlinie", ergänzte sie. Darüber hinaus wertete sie es als problematisch, dass der Entwurf nur die Erstreckung auf drei Entgeltstufen vorsehe. Eine solche Regelung sei geeignet, Lohndumping Vorschub zu leisten.

BDA-Vertreter: Es kommt auf die Zeitspanne der Entsendung an

Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vertrat hingegen die Auffassung, bei kurzzeitigen Entsendungen von weniger als 12 bis 18 Monaten sei es "sogar unzulässig, regionale Tarifverträge zu erstrecken". Die EU-Richtlinie schreibe nur Entgelttarifverträge in dieser Phase vor, wenn "sie zwingend verbindlich seien".

BAG-Richter a.D.: Regionale Tarifverträge mit deutschem System vereinbar

Dieser Einschätzung widersprach Franz Josef Düwell, ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht: Die regionalen Tarifverträge seien sehr wohl mit dem deutschen System vereinbar, da die Tarifautonomie es zulasse, an den Betriebssitz ebenso anzuknüpfen wie an den Arbeitsort. Werde letzteres ausgeschlossen, sei dies ein "unzulässiger Eingriff in die Tarifautonomie", betonte Düwell.

Arbeitsrechtler: Kein Zwang zur Erfassung regionaler Tarifverträge

Dem widersprach Martin Franzen, Arbeitsrechtler an der Universität München. Er wies darauf hin, dass die EU-Richtlinie grundsätzlich auf "allgemeinverbindliche Tarifverträge" abstelle. In Deutschland sei die Anknüpfung an Bundestarifverträge, und damit der Ausschluss regionaler Verträge, geltendes Recht. "Dies hat die EU-Kommission nie bemängelt", sagte er. Dies zeige, dass die EU-Entsenderichtlinie nicht dazu zwinge, regionale Verträge zu erfassen. Allerdings schließe sie es auch nicht aus, räumte er ein.

Redaktion beck-aktuell, 16. Juni 2020.