Eine Frau war seit 2009 für ein Druckindustrie-Unternehmen als "Abrufkraft Helferin Einlage" tätig. Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit war arbeitsvertraglich nicht geregelt. Die Mitarbeiterin machte geltend, das Unternehmen habe ihre Arbeitskraft in den Jahren 2017 bis 2019 durchschnittlich 103,2 Stunden monatlich abgerufen – dies sei zu vergütende Arbeitszeit. Weil sie ab 2020 weniger eingesetzt wurde, verlangte die Arbeitnehmerin eine Nachzahlung wegen Annahmeverzugs.
Ihre Klage hatte nur in geringem Umfang Erfolg, nämlich nur soweit in einzelnen Wochen weniger als 20 Stunden Arbeitsleistung abgerufen worden waren. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf), müssten sie nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG arbeitsvertraglich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegen. Unterlassen sie das, schließe § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG diese Reglungslücke, indem kraft Gesetzes eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart gilt, so das BAG (Urteil vom 18.10.2023 – 5 AZR 22/23).
Eine davon abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit könne im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG im betreffenden Arbeitsverhältnis keine sachgerechte Regelung sei und objektive Anhaltspunkte dafür vorlägen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten bei Vertragsschluss bei Kenntnis der Regelungslücke eine andere Bestimmung getroffen und eine höhere oder niedrigere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart. Für eine solche Annahme habe die Arbeitnehmerin jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen.
Abrufverhalten des Arbeitgebers nicht ausschlaggebend
Werde die anfängliche arbeitsvertragliche Lücke zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Beginn des Arbeitsverhältnisses durch die gesetzliche Fiktion geschlossen, könnten die Parteien in der Folgezeit ausdrücklich oder konkludent eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbaren. Dafür reiche aber das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten, lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegenden und scheinbar willkürlich gegriffenen Zeitraum nicht aus.
Allein dem Abrufverhalten des Arbeitgebers kommt laut BAG kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert dahingehend zu, er wolle sich für alle Zukunft an eine von § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG abweichende höhere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit binden. Ebenso wenig rechtfertige allein die Bereitschaft des Arbeitnehmers, in einem bestimmten Zeitraum mehr als geschuldet zu arbeiten, die Annahme, er wolle sich dauerhaft in einem höheren zeitlichen Umfang als gesetzlich vorgesehen binden.