Anwaltsgerichtliches Verfahren: Fristablauf am Wochenende möglich

Ein Gegneranwalt hatte eine Partei – selbst Anwalt – direkt kontaktiert und dessen eigens beauftragten Rechtsanwalt ignoriert. Ob die Rüge der RAK München für dieses Verhalten berechtigt war, musste nach Ansicht des AnwG München nicht geklärt werden: Die Rüge sei verspätet, weil in Anwaltsverfahren Fristen auch am Wochenende ablaufen könnten.

Nach Auffassung der Münchner Richter hatte die Monatsfrist am 11.6.2022 (einem Samstag) geendet – die Beschwerde war erst am darauffolgenden Montag eingegangen. Anders als vor 2017, so das Gericht, verweise § 74a BRAO nicht mehr auf die komplette StPO. Der Gesetzgeber habe in seiner Begründung ausdrücklich klargestellt, dass nicht genannte Vorschriften auch nicht gelten sollen.

Die Kammer hat daher – unter Bezugnahme auf die überwiegende Literatur – § 43 Abs. 2 StPO (Fristende am nächsten Werktag) nicht analog angewendet. Es gebe auch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach eine Frist stets erst mit Ablauf des nächsten Werktages ende, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend falle – ansonsten bedürfe es schon keiner gesonderten Regelungen in den einzelnen Verfahrensordnungen.

Umgehung des Gegners oder Verletzung der freien Advokatur?

Nicht geklärt wurde damit, ob die Rüge der Rechtsanwaltskammer München gegen einen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in einer Bausache wegen Verstoßes gegen § 12 BORA (Verbot der Umgehung des Gegenanwalts) berechtigt gewesen war. Der Vorwurf der Rechtsanwaltskammer: er habe eine Partei – einen Bauherrn, selbst Anwalt – mehrfach angeschrieben, obwohl diese selbst einen eigenen Rechtsanwalt hatte (Az.: 1 AnwG 29/22).

Der Mandant hatte sich zuvor bei der Anwaltskammer über den Kollegen beschwert, da – unter Umgehung des von ihm beauftragten Vertreters – wiederholt Druck unmittelbar auf ihn ausgeübt worden sei. Er habe den Fachanwalt bei einem Ortstermin über die Mandatierung eines eigenen Anwalts informiert – was der Baurechtler jedoch nicht habe hören wollen.

Nach eigenen Angaben hatte der der Gegner-Anwalt diesen Vertreter ignoriert, da er seine Vollmacht unter anderem per beA (und nicht im Original) geschickt hatte – auch sei die Unterschrift des Mandanten nicht zu entziffern gewesen.

In seiner Anhörung hatte er sich über den Kammervorstand aufgeregt: Es sei "schlicht absurd", dass er nach Ansicht der Kammer einem Kollegen hinterhertelefonieren müsse, der es über Wochen nicht schaffe, seine Bevollmächtigung nicht ordnungsgemäß nachzuweisen.

Weiter führte er aus: "Zur Rettung des Rufes der Anwaltschaft wäre es vielmehr richtig und geboten, dass Rechtsanwälten, die es nicht besser wissen, von der Kammer erklärt wird, wie man sich ordnungsgemäß gemäß den Vorgaben des BGB bestellt und bevollmächtigt. Offenkundig bestehen hier bei den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammer München Wissenslücken."

Redaktion beck-aktuell, 6. September 2023.