Neue Zahlen zum Anwaltsmarkt: Der Abwärtstrend setzt sich fort
© ink drop / stock.adobe.com

Weniger niedergelassene Anwältinnen und Anwälte, rund 15% mehr Syndici. Die Anwaltsstatistik der BRAK bestätigt die Trends der vergangenen Jahre. Vor allem eine Entscheidung vieler Frauen bereitet Experten Sorgen.

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat neue Zahlen zur Anwaltschaft veröffentlicht. Jährlich schlüsselt die Dachorganisation der 28 Rechtsanwaltskammern ihre Mitgliederstatistik auf, die Zahlen sind zudem nach regionalen Rechtsanwaltskammern aufgeschlüsselt.

Im gesamten Bundesgebiet verzeichneten die Anwaltskammern zu Beginn des Jahres 2024 insgesamt 172.514 Mitglieder, was einen Zuwachs von knapp 2% im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Die Zahl setzt sich zusammen aus der niedergelassenen Anwaltschaft sowie aus Sydikusrechtsanwältinnen – und anwälten und solchen mit Doppelzulassung. Hinzu kommen die Berufsausübungsgesellschaften, die sich – je nach Gesellschaftsform – seit der großen BRAO-Reform von 2022 ebenfalls bei der Kammer zulassen lassen müssen, oder aber freiwillig zulassen lassen können. Vor allem Letztere sind laut BRAK für den Gesamtzuwachs der Mitglieder verantwortlich.

10% weniger niedergelassene Anwälte in sieben Jahren

Die Statistik zeigt, dass viele Trends der vergangen Jahre anhalten. So schrumpft etwa die Zahl der niedergelassenen Anwältinnen und Anwälte schon seit Jahren. Auch in 2023 verzeichnet die BRAK  ein leichtes Minus im Vergleich zum Vorjahr (139.589 im Vergleich zu 140.713 in 2022).

Prof. Dr. Matthias Kilian beschäftigt sich mit aktuellen Entwicklungen in der Anwaltschaft. "Die Zahlen zeigen eine stetige Abnahme bei der Zahl der niedergelassenen Anwältinnen und Anwälte. Wenn die Statistik bei einer 12-Monats-Betrachtung nahelegt, es handele sich nur um einen leichten Rückgang, ist das ein Trugschluss: Die Zahl der niedergelassenen Anwälte ist innerhalb von sieben Jahren um 10% gesunken. In diesem Jahr liegt sie erstmals unter 140.000," ordnet der Leiter des Kölner Soldan Instituts ein.

Dass die Zahl der anwaltlichen Mitglieder in der Gesamtschau der Statistik dennoch ein leichtes Plus zeigen, liegt vor allem an den – ebenfalls seit Jahren – steigenden Zahlen bei den Syndikusrechtsanwältinnen und -anwälten. Mit derzeit 6.806 zugelassenen Mitgliedern verzeichnen die Syndizi einen Anstieg von fast 15% im Vergleich zu 2022. Auch die Doppelzulassungen sind mit knapp 20.000 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. In der Gesamtschau ist das eine positive Entwicklung, noch in den vergangenen zwei Jahren war die Anwaltschaft derart geschrumpft, dass selbst die steigenden Neuzulassungen bei den Syndizi den Negativtrend nicht hatten ausgleichen können.

"Auffällig ist auch die Verteilung unter den regionalen Anwaltskammern“, sagt Kilian. „Mehr als 20 Kammern verzeichnen einen zum Teil deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegenden Rückgang. Nur die großen Kammern Berlin, Frankfurt, Hamburg, München und Düsseldorf sind bei den niedergelassenen Rechtsanwälten seit 2017 um weniger als 10% geschrumpft."

Was die Statistik nicht zeigt: Frauen verlassen die Anwaltschaft

In der Gesamtschau ist der Frauenanteil im Vergleich zum Vorjahr um 1,52% gestiegen. Doch ein genauer Blick auf die Verteilung zeigt: Weniger Frauen sind 2024 als niedergelassene Anwältinnen zugelassen,  umso mehr haben eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältinnen. Insgesamt liegt der Frauenanteil bei den Syndizi inzwischen bei 59,39%. Zum Vergleich: bei den einzeln Zugelassenen sind nur 34,77% Frauen.  

"Was man der Statistik nicht entnehmen kann, ist die Tatsache, dass viele Anwälte nicht bis zum Ruhestand in der Anwaltschaft bleiben. Letztes Jahr waren es fast 2.000 unter 50-Jährige, die die Zulassung zurückgegeben haben. Weit überproportional waren dies Frauen“, sagt Kilian. Diese Zahlen auf der einen und der enorme weibliche Zuwachs bei den Syndizi auf der anderen Seite ließen darauf schließen, dass es in der Anwaltschaft immer noch Probleme hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt.

Angesichts des massiven Nachwuchsmangels in der Anwaltschaft für Kilian ein Warnsignal. „Mittlerweile sind rund 60% der Jura-Absolventen weiblich, der Anteil unter den aktuell Studierenden ist noch höher“, sagt Kilian. Das Problem könnte sich also in den kommenden Jahren noch verschärfen.

Warum mehr Berufsausübungsgesellschaften?

Im Zuge der großen BRAO-Reform sind seit 1. August 2022 die Berufsausübungsgesellschaften nach § 59f BRAO zulassungspflichtig. Das gilt allerdings nur für haftungsbeschränkte Gesellschaften wie die Rechtsanwalts-GmbH, die PartGmbB oder die GmbH und Co. KG. Hier lässt die BRAK einen großen Zuwachs verlauten: Rund 4.700 Berufsausübungsgesellschaften sind bei ihren regionalen Kammern zugelassen, im Vorjahr waren es noch 3.200

„Diese Zahlen sind keineswegs auf Neugründungen zulassungspflichtiger Sozietäten zurückzuführen", erklärt Kilian. Seit Inkrafttreten des neuen Berufsrechts hätten die zulassungspflichtigen Gesellschaften vielmehr von einer Übergangsfrist Gebrauch gemacht, die nun im Jahr 2023 ausgelaufen sei.

Nicht-haftungsbeschränkte Sozietäten wie die GbR oder die PartG können sich freiwillig zulassen. Von dieser Möglichkeit haben 2023 aber nur 21 Gesellschaften Gebrauch gemacht, rund 22% weniger als noch im Vorjahr.

Fachanwaltschaften: Die großen verlieren

Gemessen an der Gesamtzahl der zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind in 2024 27,77% auch Fachanwälte. Mit 58.474 steigt die Zahl der Fachanwaltstitel in 2024 nur marginal (gegenüber 58.339 im Vorjahr). Besonders beliebte Spezialisierungsrichtungen sind Arbeitsrecht (11.163), gefolgt von Familienrecht (8.759), Steuerrecht (4.695), Verkehrsrecht (4.400) und Strafrecht (3.994).

Manche Fachrichtungen verzeichnen Zuwächse, wie die Fachanwaltschaften für Vergaberecht (+10,54%), für Sportrecht (+20,00%), für Informationstechnologierecht (+5,53%) und für Migrationsrecht (+5,46%). Viele, gerade die größeren und älteren Fachrichtungen, verlieren jedoch: so etwa Sozialrecht (-2,69%), Familienrecht (-2,02%) und Transport- und Speditionsrecht (-1,73%). „Noch vor einigen Jahren gab es starken Zuwachs bei den Fachanwälten“, sagt Kilian. „Dieser Trend ist abgeflacht. Fast die Hälfte der Fachanwaltschaften verliert mittlerweile Vertreter.“

Der Frauenanteil unter den Fachanwältinnen und -anwälten ist zwar gestiegen und liegt jetzt bei 33,02%. Einen zweiten oder dritten Fachanwaltstitel erwerben aber größtenteils Männer.

Auch links und rechts der klassischen Anwaltschaft zeigt sich Veränderung. Im Vergleich zu 2023 gibt es mit 4.850 nun etwa 2% weniger Anwaltsnotare. Dafür ist die Anzahl der Anwältinnen und Anwälte, die zugleich auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sind, im Vergleich zum vergangenen Jahr um ganze 34,5% bei den Wirtschaftsprüfern bzw. 22,5% bei den Steuerberatern gestiegen. Auch die Zahl der ausländischen Anwälte mit Kammer-Zulassung stieg leicht.

Redaktion beck-aktuell, Denise Dahmen, 28. Mai 2024.