Anwaltshaftung wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen

Eine Schutzrechtsverwarnung verstößt nicht gegen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn das zu Unrecht beanstandete Verhalten von Verwarnten sowieso nicht zu erwarten war. Ihr fehlt dann bereits die Eignung, deren Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 07.07.2020 entschieden.

Abmahnung wegen unmittelbarer/mittelbarer Patentverletzung

Eine Produzentin von Satellitenempfangstechnik verlangte von zwei Rechtsanwälten Schadenersatz in Höhe von 1.091.000 Euro wegen unberechtigter Abmahnungen. Die Anwälte waren von der Inhaberin eines Patents bezüglich einer Satellitenanlage beauftragt worden. Diese hatte listigerweise im Februar 2007 ein Drittunternehmen dazu veranlasst, Zwischenhändler der Produzentin zur Abgabe eines Angebots über die Lieferung einer drehbaren Satellitenempfangsanlage aus deren Herstellung aufzufordern. Fachhändler, die darauf eingingen, wurden im März 2007 von ihren Rechtsanwälten wegen unmittelbarer Verletzung des Patents abgemahnt. Als Reaktion auf das Vorgehen gegen ihre Kunden erwirkte das Unternehmen beim Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung, mit welcher der Schutzrechtsinhaberin Abmahnungen untersagt wurden: Allenfalls eine mittelbare Patentverletzung seitens der verwarnten Abnehmer komme in Frage. Die Inhaberin gab eine Unterlassungserklärung ab. Gleichzeitig stellte sich die Firma vor ihre Händler; sagte zu, die Kosten zu übernehmen, und ließ die Abmahnung im Namen von 400 ihrer Abnehmer zurückweisen. Es erfolgte eine zweite Abmahnung – nunmehr gestützt auf eine mittelbare Patentverletzung. Wieder trat die Produzentin für ihre Vertragspartner ein. Diesmal waren 313 betroffen. 2009 erklärte das Bundespatentgericht das Patent für nichtig.

OLG: Kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Das LG Frankfurt am Main verurteilte die Inhaberin zur Zahlung von 273.000 Euro und wies die Klage gegen die Juristen ab. Die Berufung des Unternehmens hatte keinen Erfolg. Dagegen legte es Revision beim BGH ein, der das Teilurteil gegen die Rechtsanwälte aufhob und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwies. Die Patentinhaberin war mittlerweile wegen Insolvenz nicht mehr involviert. Das OLG Frankfurt a.M. wies die Berufung abermals zurück: Die Verwarnungen seien zwar unberechtigt gewesen, weil das Patent später für nichtig erklärt worden sei, doch treffe die Anwälte in Bezug auf die Fehleinschätzung hinsichtlich des Rechtsbestands des Schutzrechts kein Verschulden.

BGH: Vermögensschaden der verwarnten Abnehmer möglich

Die Revision vor dem BGH hatte teilweise Erfolg. Der Fall wurde erneut  an das OLG Frankfurt a. M. zurückgegeben. Aus Sicht des X. Zivilsenats ist das OLG Frankfurt a. M. zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es an einem Eingriff in das Recht des Unternehmens am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fehlt, soweit die abgemahnten Fachhändler mit der ersten Verwarnung auf Unterlassung des Herstellens und der Einfuhr von Anlagen in Anspruch genommen wurden. Mit solchen Handlungen sei vernünftigerweise nicht zu rechnen gewesen. Die Verwarnung sei von vornherein nicht geeignet gewesen, die Verwarnten in ihrer wirtschaftlichen Betätigung zu beeinträchtigen. Dafür spreche der Sitz der Produzentin im Inland, sodass die Kunden ihre Produkte mithin nicht in das Gebiet der Bundesrepublik hätten einführen müssen. Werde der Betrieb des Abnehmers nicht behindert, erleide auch der Betrieb der Produzentin keinen direkten Schaden.

Ob aber die verwarnten Händler bei der Einfuhr von Anlagen anderer Hersteller aus dem Ausland beeinträchtigt waren, hat das OLG offengelassen, so der Vorwurf an die Frankfurter Adresse. Der Umstand, dass sich die Produzentin zur Übernahme der anfallenden Kosten verpflichtet habe, bedeute nicht, dass die Kunden keinen Schaden erlitten haben könnten. Die im Raum stehenden Ansprüche des Unternehmens aus abgetretenem Recht müsse das Berufungsgericht daher eingehend prüfen.

BGH, Urteil vom 07.07.2020 - X ZR 42/17

Redaktion beck-aktuell, 26. August 2020.