Anwaltschaft: Insolvenzantragspflicht soll nicht zum politischen Spielball werden

Länder und Bund diskutieren über das Ventil der Insolvenzantragspflicht in der Energiekrise. Das Bun­des­ka­bi­nett hatte zuletzt den Ent­wurf einer For­mu­lie­rungs­hil­fe zur Um­set­zung der in­sol­venz­recht­li­chen Vor­ga­ben aus dem drit­ten Ent­las­tungs­pa­ket be­schlos­sen. Der Deutsche Anwaltverein begrüßt die rege politische Debatte, fordert jedoch weiterhin, anstelle der Verfahrensvermeidung die bestehenden sanierungsrechtlichen Mechanismen wahrzunehmen.

Vielfältige Möglichkeiten zur Sanierung des Geschäftsbetriebes

"Es ist schade und greift zu kurz, wenn aus dem gesamten Insolvenz- und Sanierungsrecht lediglich die Regelung zur Antragspflicht in den Blick genommen wird", erklärt Anne Deike Riewe, Co-Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein. Viel wichtiger sei gerade auch in der aktuellen Zeit, dass das Insolvenzverfahren vielfältige Möglichkeiten zur Sanierung des Geschäftsbetriebes bereithält, etwa die Möglichkeit der Beendigung von nachteiligen Vertragsverhältnissen oder einer umfassenden Regelung in einem Insolvenzplan.

Insolvenzverfahren bedeutet nicht automatisch Abwicklung des Betriebes

Die Arbeitsgemeinschaft betont, dass die Einleitung eines Insolvenzverfahrens unter Berücksichtigung der mit der Insolvenzordnung geschaffenen und seither weiter angepassten Sanierungsmöglichkeiten heute weniger denn je notwendigerweise eine Abwicklung des Betriebes bedeute. Gerade auch im Rahmen übertragender Sanierungen könne in vielen Fällen der Geschäftsbetrieb mit seinen Arbeitsplätzen und Leistungsbeziehungen über einen neuen Rechtsträger fortgeführt werden. Soweit eine Stabilisierung des Unternehmens bereits durch Unternehmenshilfen wie das KfW-Sonderprogramm oder nun durch über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds bereitgestellte Mittel möglich ist, werde die Einleitung eines Insolvenzverfahrens gar nicht erst erforderlich. Für die Fälle, in denen sich Unternehmen weitergehend neu aufstellen müssen, um zukunftsfähig zu werden, biete das deutsche Sanierungsrecht mit seinen Fortentwicklungen der letzten Jahre einen geordneten Rahmen.

Temporäre Anpassung im Sanierungs- und Insolvenzrecht beschlossen

Im Rahmen des dritten Entlastungspakets hat das Bundeskabinett jüngst die Formulierungshilfe für temporäre Anpassungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht beschlossen. Der Regelungsvorschlag sieht konkrete Anpassungen des Prognosezeitraums für die Überschuldungsprüfung, der Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen sowie der Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung vor. Der Deutsche Anwaltverein hatte sich im Vorfeld unterstützend zum Wortlaut der Formulierungshilfe im Hinblick auf die Beschränkung der Anpassung auf den Insolvenzgrund der Überschuldung und die Verkürzung des Planungshorizonts auf vier Monate geäußert.

Redaktion beck-aktuell, Miriam Montag, 7. Oktober 2022.