Anwalts-Festnahme – Asylbewerbern aus Türkei könnte Gefahr drohen

Wegen der Inhaftierung eines türkischen Anwalts in der Türkei, der für Deutschland Daten von Asylbewerbern überprüfte, sieht die Bundesregierung eine mögliche Gefährdung für Betroffene. Es sei "möglich, dass türkische Asylantragsteller potenziell auch in Deutschland in den Fokus des türkischen Nachrichtendienstes MIT geraten könnten", schreibt die Bundesregierung in der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke. Darüber hatte zuerst die "taz" berichtet.

Überprüfung der Daten von Asylantragstellern

Die türkische Polizei hatte den Anwalt, der für die deutsche Botschaft in Ankara tätig war, Mitte September 2019 inhaftiert. Die türkische Regierung wirft ihm Spionage vor. Die Affäre hatte zum Ende des Jahres 2019 die deutsch-türkischen Beziehungen erneut belastet. Der Anwalt hatte den Auftrag, Angaben von Menschen aus der Türkei zu überprüfen, die in Deutschland Asyl beantragt hatten. Berlin geht davon aus, dass den türkischen Behörden Daten zu Fällen in die Hände gefallen sind, die der Jurist noch nicht beantwortet hatte.

Deutschland als vorrangiges Ausforschungsziel

Möglich seien "weitere Ausspähungen der Betroffenen oder gegebenenfalls auch Übergriffe durch Angehörige türkischer staatlicher Stellen" oder durch Dritte in deren Auftrag, heißt es in dem Regierungsschreiben, das auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Im jüngsten Verfassungsschutzbericht des Bundes steht über den türkischen Nachrichtendienst: "Deutschland bleibt für den MIT weiterhin eines der vorrangigen Ausforschungsziele außerhalb der Türkei." 

Anwalt sollte Informationen zu Fluchtgründen liefern

Deutschland nutzt Kooperationsanwälte, um an Informationen für Fluchtgründe und zu etwaigen Gefahren zu kommen, die Asylbewerbern bei einer Rückkehr ins Herkunftsland drohen würden. Den Anstoß kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder ein Verwaltungsgericht geben, wenn es über einen Asylantrag verhandelt.

Vorgänge zu 59 Asylverfahren nun in der Hand türkischer Sicherheitskräfte?

Nach Angaben des BAMF vom Januar 2020 hatte der Anwalt zum Zeitpunkt der Festnahme Vorgänge zu 59 Asylverfahren zur Bearbeitung, die 113 Menschen betreffen. Zudem geht die Bundesregierung Hinweisen nach, wonach auch Informationen zu Fällen aus 2018/2019 in die Hände türkischer Sicherheitskräfte gelangt sein könnten.

Linken-Abgeordnete sieht enorme Gefahr für Geflüchtete

Die Linken-Abgeordnete Jelpke kritisierte die deutschen Behörden: "Das BAMF hat mit seinem fahrlässigen Handeln Hunderte Geflüchtete aus der Türkei einer enormen Gefahr ausgesetzt", sagte sie der "taz".

Nun keine Kooperationsanwälte mehr in der Türkei

Nach der Festnahme hatte das Auswärtige Amt diese Art der Zusammenarbeit in der Türkei ausgesetzt. "Personenbezogene Recherchen zu Asylverfahren werden in der Türkei von Kooperationsanwälten nicht mehr durchgeführt", schreibt die Regierung. Der auf den 24.01.2020 datierten Antwort zufolge dauert das türkische Ermittlungsverfahren gegen den Anwalt an. Die Bundesregierung setze sich für eine zügige Aufklärung der Vorwürfe und die Aufhebung der Untersuchungshaft ein.

Redaktion beck-aktuell, 3. Februar 2020 (dpa).

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