Anwalts-Besuche im Lockdown

Der “Lockdown light“ wird zum "Lockdown". Die Corona-Schutz-Maßnahmen werden verschärft, in einigen Regionen dürfen die Menschen ihre Wohnungen nur in dringenden Fällen verlassen. Ein Termin mit der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt muss immer ein dringender Fall bleiben, mahnt der Deutsche Anwaltverein (DAV). Wer auf dem Weg dorthin kontrolliert werde, müsse nicht sagen, warum er eine Kanzlei aufsucht.

Anwaltsbesuche in Liste triftiger Gründe aufnehmen

“Sollte es tagsüber Ausgangsbeschränkungen geben, können die Menschen weiterhin Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Notarinnen und Notare aufsuchen“, sagt Rechtsanwältin Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des DAV. Dies sei auch in der gegenwärtigen Situation von großer Bedeutung, da der Zugang zu digitalen Kommunikationswegen nicht allen Rechtssuchenden zur Verfügung stehe. “Die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung muss in jeder Landesverordnung in die Liste der triftigen Gründe aufgenommen werden, die ein Verlassen des Hauses erlauben“, fordert Ruge.

Im Zweifel ist von Dringlichkeit des Termins auszugehen

Das gelte aktuell in ganz besonderem Maße, weil mit Ende eines Jahres viele Verjährungsfristen ablaufen, so Ruge weiter. Es sei dann dringend notwendig, eine Anwältin oder einen Anwalt aufzusuchen und persönlich mit ihnen zu sprechen. Im Grunde müsse man aber immer davon ausgehen, dass ein Rechtsproblem dringend ist, warnt DAV-Hauptgeschäftsführerin Ruge: “Ob es sich um einen unaufschiebbaren Termin handelt oder nicht, wird für den Rechtssuchenden selbst häufig erst auf Grund der anwaltlichen Beratung erkennbar werden.“ Es sei zum Beispiel kein Allgemeinwissen, dass für die Ausschlagung einer Erbschaft eine sechswöchige Frist besteht oder dass man gegebenenfalls ein Nachlassinventar errichten muss. Gleiches gelte für die Fristen im Zusammenhang mit einer Kündigungsschutzklage oder bei der unverzüglichen Anfechtung einer Willenserklärung.

Anwaltschaft systemrelevant für den Zugang zum Recht

Der Zugang zu anwaltlichem Rat und zur Vertretung sei zudem wichtig, so Ruge weiter, weil Bürgerinnen und Bürger die Rechtsantragsstellen bei den Gerichten vielfach nicht mehr persönlich aufsuchen können. In solchen Fällen seien Eilverfahren notwendig, für die eidesstattliche Versicherungen eingereicht werden müssen. Die meisten Betroffenen seien damit überfordert. "Für den Zugang zum Recht ist die Anwaltschaft systemrelevant – das gilt in Pandemiezeiten ganz besonders. Die Anwaltschaft muss bundesweit als systemrelevant anerkannt werden – unter anderem, um die Kinderbetreuung während der Schul- und Kitaschließungen sicherzustellen", forderte daher DAV-Hauptgeschäftsführerin Ruge. Dies müsse in den aktuellen Verordnungen klargestellt und in den Regelungen berücksichtigt werden.

Redaktion beck-aktuell, 15. Dezember 2020.