Anwalt für Oldtimerrecht: "Das ist ein technisches Kulturgut"
© Sven Serkis

Michael Eckert hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Er berät seit mehr als 20 Jahren Mandanten im Oldtimerrecht. Im Gespräch erzählt er von seinem Werdegang, spektakulären Fälschungen und warum er hofft, dass es in einigen Jahrzehnten noch Verbrenner geben wird.

beck-aktuell: Herr Eckert, während wir sprechen, sitzen Sie gerade in Ihrer Kanzlei. Was steht denn bei Ihnen für ein Auto auf dem Parkplatz?

Eckert: Kein Auto, sondern ein Motorrad: Eine BMW 100 GS aus dem Jahr 1989, mit 35 Jahren also auch schon ein Oldtimer.

beck-aktuell: Sie sind selbst ein Fan alter Karossen. Haben sie noch andere Oldtimer außer dem Motorrad?

Eckert: Ja, drei alte Mercedes von 1957, 1959 und 1966 sowie ein weiteres Motorrad, eine BMW 600er mit Beiwagen von 1958, außerdem noch ein Moped. Meine Frau hat ein Käfer Cabrio, mein Sohn einen 123er Mercedes von 1979. Es ist also einiges in der Familie vertreten.

"Wenn Sachverständige einem ein X für ein U vormachen können, hat man keine Chance"

beck-aktuell: Heute sind Sie auch als Rechtsanwalt mit Oldtimern befasst. Ich vermute, das Hobby war zuerst da?

Eckert: Das ist richtig. Schon als Student war ich eingefleischter Motorradfahrer und habe dann ein Winterfahrzeug gesucht. Das war typisch Student: Ich brauchte etwas mit einem halben Jahr TÜV, das mich über den Winter rettet. Aber ich habe nichts Gescheites zu vernünftigen Preisen gefunden und bin dann zufällig über eine Zeitungsanzeige auf einen alten 190er Mercedes gestoßen, einen sogenannten Ponton-Mercedes aus den 50er Jahren. 

Das war schon das Auto, mit dem ich aufgewachsen bin, die ersten zehn Jahre meines Lebens hatte mein Vater so einen Mercedes. Ich habe mich dann später gefragt, was ich mir dabei gedacht hatte, mir ein solches Auto ohne TÜV zu kaufen. Aber dann habe ich über dieses Fahrzeug eine Werkstatt kennengelernt, wo ich mithelfen konnte, das Auto zu reparieren. Das war der Beginn meines Oldtimer-Hobbys.

beck-aktuell: Dem Sie offenbar bis heute treu geblieben sind. Was hat Ihr Interesse gepackt: Ist es das Basteln und Schrauben oder eher die Leidenschaft für die Schönheit der alten Autos und Motorräder?

Eckert: Das Schrauben ist für mich ein ganz wichtiger Teil des Hobbys. Ich arbeite gerne handwerklich und das macht natürlich an einem Auto mehr Spaß, als etwas im Haus zu reparieren. Noch dazu kann man sich auf diese Weise technische Kenntnisse aneignen, die in der rechtlichen Beratung sehr hilfreich sind.

beck-aktuell: Wie ist dann der Weg vom Hobby zum Beruf verlaufen?

Eckert: Das begann schon als Student. Damals haben mich Freunde und Bekannte aus der Oldtimerszene manchmal angesprochen und gesagt: "Hey, du bist doch Jurist, ich habe da ein Problem, kannst du mir mal helfen?" Und vor rund 20 Jahren habe ich dann gesagt: Warum mache ich das nicht offiziell? Meine damaligen Kollegen waren erst etwas skeptisch, ob das einträglich sein würde, aber wir haben es trotzdem gemacht. Glücklicherweise hat sich das von Anfang an gerechnet.

beck-aktuell: Sie hatten bereits erwähnt, dass Sie einiges an Fachwissen über Oldtimer mitbrachten. Inwiefern ist das nötig, um als Anwalt in diesem Bereich tätig zu sein?

Eckert: Sie brauchen einerseits rechtliche Spezialerkenntnisse in Bezug auf Oldtimer, aber auch technische. Wir haben in fast jedem Fall mit Sachverständigen zu tun. Die sind nicht alle so gut, wie sie sein sollten oder sagen nicht immer das, was für den eigenen Mandanten günstig ist. Da muss man sich technisch auskennen, um auf Augenhöhe sprechen zu können. Wenn die einem ein X für ein U vormachen können, dann hat man keine Chance.

"Schlecht ist, wenn ein Richter sagt: 'Ich habe gar keinen Führerschein'"

beck-aktuell: Mit welchen Anliegen kommen Mandantinnen und Mandanten denn zu Ihnen? Geht es im Oldtimerrecht vorwiegend um Gewährleistungsstreitigkeiten?

Eckert: Gewährleistung ist ein sehr großes Gebiet, sowohl im Kaufrecht als auch im Werkvertragsrecht, aber das Oldtimerrecht geht weit darüber hinaus, etwa in den Bereich von Verkehrsunfällen mit Oldtimern. Da gibt es Spezialfragen, unter anderem zum merkantilen Minderwert. 

Wir sind aber manchmal auch im Umweltrecht unterwegs, wenn jemand beispielsweise einen Oldtimer zur Reparatur auf dem eigenen Hof abstellt und der Nachbar sagt: "Das ist Schrott, den musst du entfernen." Immer häufiger landen wir auch im Bereich des Strafrechts, wenn es um gefälschte Oldtimer geht. Es ist also ein weites Feld. 

beck-aktuell: Diese Spezialfragen – etwa, wie man den Zeitwert eines Oldtimers korrekt berechnet – sind sicher nicht jedem so leicht nahezubringen. Wie erklären Sie das in einem Prozess einer Richterin oder einem Richter, der oder die vielleicht gar keine Ahnung von Oldtimern hat?

Eckert: Das ist eine Herausforderung. Ein negativ typischer Fall ist, dass man es mit einer Richterin oder einem Richter zu tun hat, die oder der sagt: "Ich habe gar keinen Führerschein und seien Sie doch froh, dass die alte Kiste überhaupt läuft!" Dann muss ich die Person erst einmal abholen. 

Es gibt verschiedene Besonderheiten bei Oldtimern, etwa die Wertentwicklung. Nach der Herstellung gibt es eine Zeit, in der die Preise fallen, dann einen Tiefpunkt, und wenn das Auto entsprechend erhalten ist, kann der Preis danach wieder steigen. Zudem gibt es einen Sammlermarkt, auf dem die Leute nur an völlig unberührten, nahezu neuwertigen Fahrzeugen interessiert sind. Nach einem Unfall hat man dann ggf. einen sehr potenten Markt verbaut.

beck-aktuell: Bei Oldtimern denkt man oft an sehr teure Autos, wie alte Mercedes, Ferrari, Rolls-Royce. Geht es in den Streitigkeiten immer um hohe Summen? 

Eckert: Das ist sehr unterschiedlich. Wenn Sie im Bereich von Ferrari, Mercedes 300 SL, BMW 507 etc. unterwegs sind, dann geht es schnell um siebenstellige Summen. Aber es gibt auch die Brot-und-Butter-Oldtimer. Oldtimer sind nicht nur ein Hobby für Reiche, Sie finden auch für 5.000 Euro einen Oldtimer, der Spaß machen kann.

"Wenn Sie nicht die richtigen Leute kennen, sind Sie aufgeschmissen"

beck-aktuell: Nach 20 Jahren in der Oldtimerrechtsberatung: Gibt es einen Fall, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Eckert: Da gibt es einige, oft haben die spektakulären Fälle etwas mit Fälschungen zu tun. Da wurde etwa mal ein Fahrzeug zu einem sechsstelligen Preis verkauft, angeblich top in Schuss, aus den 30er Jahren und angeblich alles im Auslieferungszustand. Unser Mandant – ein Sammler – wurde aber misstrauisch, weil sich wenig zu dem Fahrzeug herausfinden ließ – als ob es einfach vom Himmel gefallen wäre. Wir haben dann sehr intensiv recherchiert und festgestellt: Es war nichts original an dem Fahrzeug. Die Karosserie war in Tschechien hergestellt worden, der Motor ein alter Stationärmotor, den man irgendwo im Internet gekauft hatte. Das Fahrgestell war eine Fälschung, die man von einem anderen, ähnlichen Fahrzeug genommen, umgebaut und dann eine andere Nummer eingeschlagen hatte. Wir mussten dann sehr deutlich gegen den Verkäufer vorgehen, es gab wechselseitige Anzeigen, unter anderem gegen uns wegen Verleumdung. Der Schuss ist für den Verkäufer ziemlich nach hinten losgegangen, es gab dort sogar eine Durchsuchung. Gott sei Dank konnten wir den Kauf rückabwickeln.

beck-aktuell: Kommt so etwas häufiger vor?

Eckert: Meist handelt es sich bei Fälschungen nicht um komplett nachgebaute Fahrzeuge, sondern um Identitätsfälschungen, wenn etwa falsche Seriennummern an Einzelteilen angebracht werden. Die Täter werden immer erfinderischer und man muss oft tief in die Geschichte des Fahrzeugs einsteigen. Ich hatte gerade einen Fall, bei dem es um sehr wertvolle Fahrzeuge ging, deren Wert im siebenstelligen Bereich lag. Es stellte sich heraus, dass es zwei Fahrzeuge mit der gleichen Fahrgestellnummer auf dem Markt gab. Da mussten wir erst einmal klären, welches denn nun das echte war. Glücklicherweise war es das unseres Mandanten.

beck-aktuell: Offensichtlich sind auch gute Kontakte gefragt…

Eckert: Zum einen bin ich selbst technisch ganz gut aufgestellt, zum anderen kennen wir in der Szene die richtigen Leute. Um solche Fälle gut bearbeiten zu können, müssen sie in der Szene zu Hause sein, denn oft hat man eben nicht selbst alle Spezialkenntnisse, die man braucht, sondern muss jemanden finden, der weiterhelfen kann. Das ist ähnlich wie auf dem Kunstmarkt: Wenn Sie da keine Ahnung von der Szene haben, nicht die richtigen Leute kennen, dann sind sie aufgeschmissen.

"Wir verbringen die Pausen nicht an der Kaffeemaschine, sondern auf dem Parkplatz"

beck-aktuell: Gibt es auch ein Netzwerk von Oldtimer-Anwältinnen und -Anwälten? Wissen Sie, wie viele es in Deutschland gibt?

Eckert: Ja, da gibt es natürlich einen gewissen Dunstkreis. Wir organisieren seit einigen Jahren zusammen mit der Deutschen Anwaltakademie die einzige Fortbildungsreihe in diesem Bereich, den Deutschen Oldtimerrechtstag. Ich leite und organisiere das und suche die Referenten aus. Da haben wir schon einen harten Kern von etwa 20 bis 30 Kolleginnen und Kollegen, die regelmäßig kommen. Das ist immer eine sehr nette Veranstaltung, viele kommen mit dem eigenen Oldtimer, dafür gibt es dann eine Ermäßigung auf den Seminarpreis. Die Pausen verbringen wir dann eben nicht an der Kaffeemaschine, sondern auf dem Parkplatz unter irgendwelchen Motorhauben.

beck-aktuell: Werfen wir noch einen Blick auf die Zukunft Ihres Rechtsgebiets: Die Auto-Branche verändert sich derzeit rasant, auch die regulatorischen Rahmenbedingungen werden strenger. Wird man sich irgendwann nur noch um Elektro-Oldtimer streiten?

Eckert: Vielleicht werden einige Elektroautos irgendwann auch mal Oldtimer. Ob sie aber so lange – 30 Jahre – durchhalten, da habe ich noch meine Zweifel.

Der Elektro-Boom hat seine Berechtigung, aber es entstehen hohe Umweltbelastungen, bis ein Auto überhaupt auf der Straße ist. Dabei ist die später notwendige Entsorgung der Batterien noch gar nicht berücksichtigt. Die heutigen Oldtimer sind schon auf der Straße, da muss man kein Stahlblech mehr walzen, Aluminium kochen oder sonst etwas. Sie haben daher einen erheblichen Vorsprung, was die Umweltbelastung betrifft. Und im Moment gibt es ja das H-Kennzeichen in Deutschland, das einige Privilegien für Oldtimer vorsieht. Auf absehbare Zeit sehe ich daher keine Probleme. Außerdem sind Oldtimer ein technisches Kulturgut. Das ist ähnlich wie schöne alte Häuser, die unter Denkmalschutz stehen.

beck-aktuell: Herr Eckert, ich danke Ihnen für Ihre Zeit!


Michael Eckert ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Heidelberger Kanzlei Eckert & Kollegen. Im Oldtimerrecht berät er Privatpersonen, Unternehmen, Verbände sowie Vereine und vertritt diese auch vor Gericht.

Die Fragen stellte Maximilian Amos.

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos, 11. Oktober 2024.