Fristwahrung per Fax - Anwalt muss rechtzeitig Hauptstelle anwählen
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Gelingt einem Rechtsanwalt der Faxversand einer Fristsache an einen OLG-Außensenat trotz mehrerer Anwählversuche nicht, muss er rechtzeitig die Faxnummer der Hauptstelle anwählen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine Übermittlung an die Hauptstelle die Einhaltung der Tagesfrist sichern würde. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 15.09.2020 entschieden.

Rechtzeitige Faxübermittlung versäumt

Eine Patientin verlangte in einem Arzthaftungsprozess die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist. Das Landgericht Darmstadt hatte ihr das Urteil am 06.02.2019 zugestellt. Ihr Anwalt hatte zunächst fristgerecht Berufung eingelegt. Am 07.05. beantragte die Mandantin Wiedereinsetzung: Unmittelbar vor Ablauf der Begründungsfrist habe ihr Bevollmächtigter am 06.05. mehrere Versuche unternommen, die Berufungsbegründung per Fax an die Außenstelle Darmstadt des OLG Frankfurt a. M. zu übermitteln. Um 23.40 Uhr empfing ein Faxgerät der Zweigstelle die ersten neuneinhalb Seiten der zwölfseitigen Begründung; unterschrieben waren sie nicht. Insgesamt schlugen drei Übermittlungsversuche fehl: Um 23.47 Uhr, 23.53 Uhr und 00.01 Uhr druckte das Fax Fehlerberichte aus – jeweils nach vier automatischen Anwählversuchen. 

Übermittlung an Hauptstelle erfolgte zu spät

Etwa gegen fünf vor zwölf habe der Bevollmächtigte zusätzlich einen Faxauftrag an die Nummer der Hauptstelle des OLG in Frankfurt a. M. eingegeben, ohne den vorherigen Auftrag an die Zweigstelle zu löschen. Der Schriftsatz ging schließlich in Frankfurt am 07.05. um 00.13 Uhr ein. Die Berufung hatte gleichwohl vor dem OLG Frankfurt a. M. (Darmstadt) keinen Erfolg: Der Anwalt habe schuldhaft nicht versucht, das fristwahrende Schriftstück per Fax an die Hauptstelle des OLG in Frankfurt a. M. zu übermitteln. Als Jurist hätte er wissen müssen, dass derartige Erklärungen auch dort eingereicht werden können.

BGH: Alternative Faxnummern vor Fristablauf sichten

Das sah der BGH im Ergebnis genauso und verwarf die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Aus Sicht der Karlsruher Richter ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die versäumte Frist auf einem der Mandantin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren Verschulden ihres Anwalts beruhe, nicht zu beanstanden. Allerdings habe dieser – entgegen der Annahme des OLG – vor Ablauf der Frist einen Sendeversuch zur Hauptstelle unternommen. Dem BGH zufolge war jedoch nicht ersichtlich, dass der Jurist die gebotenen allgemeinen Vorkehrungen für einen fristwahrenden Faxversand getroffen hatte. Für diesen Fall hätte er sich bereits anstelle eines dritten Sendeversuchs um 23.53 Uhr an die Zivilsenate in Darmstadt darum bemühen müssen, die Begründung per Fax an die Nummer der Hauptstelle zu übermitteln. Von einem gewissenhaften und aufmerksamen Anwalt wäre angesichts der verbleibenden Zeit von nur sieben Minuten bis zum Fristablauf zu erwarten gewesen, nach dem Scheitern zahlreicher Versuche über einen Zeitraum von mindestens zehn Minuten unmittelbar die Telefaxnummer der Hauptstelle in Frankfurt a. M. anzuwählen. Der weitere Sendeversuch habe wegen der voreingestellten automatischen Wahlwiederholung kostbare Zeit in Anspruch genommen. Insofern ist laut dem VI. Zivilsenat nicht auszuschließen, dass die Berufungsbegründung ohne den schuldhaften Sorgfaltsverstoß des Anwalts rechtzeitig bei der Frankfurter Hauptstelle eingegangen wäre. Die Übertragung der Berufungsbegründung nach Frankfurt am 07.05. um 00.11 Uhr habe nur 1 Minute und 43 Sekunden gedauert.

BGH, Beschluss vom 15.09.2020 - VI ZB 60/19

Redaktion beck-aktuell, 12. Oktober 2020.