Anspruch auf Wartungsunterlagen eines Geschwindigkeitsmessgerätes

Wer geblitzt wird, kann Anspruch auf Einsicht in die Wartungsunterlagen des Messgerätes haben. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz hat am Montag einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, der eine Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes zugrunde lag. Der Betroffene müsse die Möglichkeit haben, selbst nach Entlastungsmomenten in Gestalt von Fehlern im Messverfahren zu suchen, so das Gericht in seinem Beschluss.

Messgerät des Typs PoliScan Speed M1 der Firma Vitronic

Der Beschwerdeführer war Betroffener in einem Bußgeldverfahren, in dem ihm eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wurde. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels eines mobilen Messgerätes des Typs PoliScan Speed M1 der Firma Vitronic. Nachdem seine Verteidigerin Einsicht in die Bußgeldakte erhalten hatte, beantragte sie im Laufe des Verfahrens, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich, die Überlassung weiterer Dokumente. Gefordert wurde unter anderem die Vorlage der Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts, die nicht Bestandteil der Bußgeldakte sind. Das Amtsgericht lehnte den Antrag ab und verurteilte den Beschwerdeführer wegen des Geschwindigkeitsverstoßes zu einer Geldbuße von 140 Euro. Sein beim Oberlandesgericht Koblenz gestellter Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.

Beschwerdeführer: Grundrechte der Landesverfassung verletzt

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wandte sich der Beschwerdeführer sowohl gegen das Urteil des AG als auch gegen den Beschluss des OLG. Er machte unter anderem geltend, die Nichtüberlassung der Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts sowie bestimmter Messdaten – weiter gefordert wurden die Falldatensätze der gesamten Messreihe einschließlich der Statistikdatei und Case-List – verstoße gegen Grundrechte der Landesverfassung.

VerfGH: "Waffengleichheit" zwischen Behörde und Betroffenem

Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die Entscheidungen des AG und des OLG verletzten nach Ansicht des VerfGH den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz). Aus dieser Gewährleistung, die sich mit den entsprechenden Vorgaben des Grundgesetzes decke, folge im Grundsatz das Recht des Betroffenen, in tatsächlich vorhandene Unterlagen über Messgerät und Geschwindigkeitsmessung Einsicht zu nehmen. Auf diese Weise werde dem auch vom Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit betonten Gedanken der "Waffengleichheit" zwischen Bußgeldbehörde und Betroffenem Rechnung getragen und diesem die Möglichkeit eröffnet, selbst nach Entlastungsmomenten in Gestalt von Fehlern im Messverfahren zu suchen.

Informationsanspruch besteht aber nicht unbegrenzt

Allerdings bestehe ein Informationsanspruch nicht unbegrenzt, so der VerfGH weiter. Er setze zum einen voraus, dass der Betroffene die begehrten Informationen hinreichend konkret benenne. Zum anderen sei erforderlich, dass die Dokumente überhaupt einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf sowie eine erkennbare Relevanz für die Verteidigung aufwiesen. Zudem dürften dem Anspruch keine gewichtigen verfassungsrechtlich verbürgten Interessen wie beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege oder schützenswerte Interessen Dritter entgegenstehen. Im Fall der vom Beschwerdeführer begehrten Einsicht in die Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts seien die Voraussetzungen eines Einsichtsrechts erfüllt.

Weitere Frage konnte dahinstehen

Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen der verweigerten Einsichtnahme in die genannten Unterlagen erfolgreich war, könne die vom Beschwerdeführer weiter aufgeworfene Frage dahinstehen, ob das Messergebnis wegen der vom Messgerät nicht gespeicherten sogenannten Rohmessdaten verwertbar gewesen sei.

VerfGH RhPf, Beschluss vom 13.12.2021 - B 46/21

Redaktion beck-aktuell, 15. Dezember 2021.