Das LG Berlin I hat die Anklage gegen Arne Semsrott, Chefredakteur des Portals FragDenStaat, wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen (§ 353d Nr. 3 StGB) zugelassen. Das Gericht hat das Hauptverfahren eröffnet und für den Herbst die mündliche Verhandlung terminiert. Dies teilte am Mittwoch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mit, die Semsrott gemeinsam mit dem Strafverteidiger Lukas Theune in dem Strafverfahren unterstützt.
Semsrott hatte im August vergangenen Jahres über Ermittlungsmaßnahmen gegen Mitglieder der Letzten Generation und einen Journalisten des freien Radiosenders Radio Dreyeckland berichtet. Dabei hatte er mehrere Gerichtsbeschlüsse während des laufenden Verfahrens veröffentlicht und so gezielt eine mögliche Strafbarkeit in Kauf genommen. Die Staatsanwaltschaft Berlin leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren ein und erhob schließlich Anklage.
Laut GFF stützt sich die Verteidigung darauf, dass die einschlägige Strafnorm des § 353d Nr. 3 StGB verfassungswidrig sei und die Pressefreiheit unzulässig einschränke. Als Grund führt die Organisation an, dass die Norm ausnahmslos jede Veröffentlichung von Dokumenten eines laufenden Strafverfahrens vor der mündlichen Verhandlung unter Strafe stelle. Eine von der Verteidigung beantragte Vorlage zum BVerfG hatte das LG Berlin I abgelehnt.
GFF: Geht um "Kernbereich journalistischer Arbeit"
Benjamin Lück, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF, erklärte dazu: "Das Landgericht hat die Chance verpasst, die Vereinbarkeit der Strafnorm mit der Pressefreiheit direkt vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen." Nun werde man "den Weg durch die Instanzen" gehen.
Semsrott selbst, der auf FragDenStaat die Beschlüsse veröffentlicht und diskutiert hatte, erklärte in der GFF-Mitteilung: "Ich habe über ein Strafverfahren berichtet und komme dafür jetzt vor Gericht – das zeigt, wie dringend diese Strafnorm reformiert werden muss." In Strafverfahren von besonderem öffentlichem Interesse wie denen gegen Mitglieder der Letzten Generation seien genaue Formulierungen von Gerichten bedeutsam: "Sie zeigen, welche Schwerpunkte die Richter*innen bei der Strafverfolgung setzen und ob Grundrechte berücksichtigt wurden."
Die GFF, die sich in ihrer Argumentation gegen die Norm auch auf Rechtsprechung des EGMR und des BGH stützt, erklärte, es gehe hier um "den Kernbereich journalistischer Arbeit". Das müsse in einer Abwägung berücksichtigt werden, welche das ausnahmslose Veröffentlichungsverbot aber nicht zulasse.