Anhörung: Kritik an geplanter Familienförderung

Die von der Bundesregierung geplante Entlastung der Familien (BT-Drs. 19/4723) ist von mehreren Experten in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 06.11.2018 als unzureichend kritisiert worden. So monierte unter anderem der Bund der Steuerzahler (BdSt), bei dem Paket handele es sich nicht um politisch motivierte Entlastungen, sondern um das "verfassungsrechtlich notwendige Pflichtprogramm". Es werde nur ein bisschen mehr getan als getan werden müsse.

Steuerliche Entlastung für Familien

Der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen sieht eine Entlastung um jährlich knapp zehn Milliarden Euro vor. Zu den einzelnen Maßnahmen gehört eine Erhöhung des Kindergeldes um zehn Euro monatlich ab Juli 2019. Allein dies führe zu Mehrausgaben von rund 3,3 Milliarden Euro, erwartet die Bundesregierung. Die Erhöhung des Kindergeldes führt im Gegenzug allerdings zu einer Anrechnung bei den Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Weitere steuerliche Anpassungen

Bereits zum 01.01.2019 sollen die steuerlichen Kinderfreibeträge von derzeit 7.428 um 192 auf 7.620 Euro angehoben werden. Zum 01.01.2020 steigt der Kinderfreibetrag weiter um 192 Euro auf dann 7.812 Euro. Zur Sicherstellung der Freistellung des steuerlichen Existenzminimums wird außerdem der Grundfreibetrag (derzeit 9.000 Euro) erhöht. 2019 erfolgt eine Erhöhung um 168 Euro, 2020 um 240 Euro. Diese beiden Erhöhungen führen zu Steuermindereinnahmen von über drei Milliarden Euro (volle Jahreswirkung), wie die Bundestagspressestelle mitteilte. Um den Effekt der "kalten Progression" auszugleichen, sollen laut Mitteilung ferner die Eckwerte des Einkommenstarifs verschoben werden, wodurch es zu einer Entlastung der Steuerzahler kommt, was 2019 zu Mindereinnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro und 2020 in Höhe von 2,1 Milliarden Euro führen soll (jeweils volle Jahreswirkung).

BdSt fordert deutliche Erhöhung steuerlichen Existenzminimums

Wie die Bundessteuerberaterkammer kritisierte bei der Anhörung auch der Steuerzahlerbund, dass der Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf seit 2010 unverändert bei 1.320 Euro pro Kind und Elternteil liege. Zudem verlangte der BdSt eine deutliche Erhöhung des steuerlichen Existenzminimums. Insbesondere Bezieher des Mindestlohns sollten keine oder nur eine geringe Steuer entrichten müssen. Der Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine regte an, die Erhöhung des Kindergeldes um ein halbes Jahr auf den 01.01.2019 vorzuziehen. Nach Angaben des deutschen Kinderschutzbundes ist die Kinderarmut drastisch angestiegen. Erforderlich sei daher die Einführung einer Kindergrundsicherung von 619 Euro im Monat.

Verband: Alleinerziehende profitieren zu wenig

Auch der Verband alleinerziehender Mütter und Väter kritisierte, "dass die geplanten Verbesserungen nicht alle Familien erreichen werden". Insbesondere Alleinerziehende würden wenig profitieren. Die Erhöhung der Steuerfreibeträge komme bei Alleinerziehenden mit oft kleinen Erwerbseinkommen kaum an. "Die Erhöhung des Kinderfreibetrags verstärkt insgesamt die bereits bestehende soziale Schieflage im System der Familienförderung, das Besserverdienende über den Kinderfreibetrag überproportional gegenüber denjenigen unterstützt, die lediglich das Kindergeld erhalten.“

DGB: Grundfreibetrag zu niedrig

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete den Grundfreibetrag als zu niedrig und wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass schon die gesetzliche Pfändungsfreigrenze bei 1.140 Euro im Monat liege und damit höher als die geplanten Anhebungen. Kritisiert wurde auch, dass Höherverdienende durch die Nutzung des Kinderfreibetrages stärker entlastet würden als Steuerzahler mit niedrigerem Einkommen, denen Kindergeld gezahlt werde. Jedes Kind müsse dem Staat gleich viel wert sein, verlangte der DGB.

Auch positives Echo an Maßnahmenpaket

Dagegen bescheinigte Achim Truger (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) dem Maßnahmenpaket "insgesamt spürbare Entlastungen". So käme laut seiner Berechnung ein Single mit einem Bruttojahreseinkommen von 45.000 Euro auf eine jährliche Entlastung (inklusive Solidaritätszuschlag) von 207 Euro, für ein Ehepaar mit gleichem Einkommen würde die Entlastung 241 Euro (0,53% des Bruttoeinkommens) betragen und für ein Ehepaar mit zwei Kindern sogar 470 Euro (1,04%). Auch Frank Hechtner von der Technischen Uni Kaiserslautern sprach von "wahrnehmbaren Entlastungen der Einkommensteuerpflichtigen.

DIHK für automatische Anpassung des Einkommensteuertarifs an Inflationsentwicklung

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte ebenfalls die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen sowie die Maßnahmen gegen die Effekte der alten Progression. "Bessere wäre es aus Sicht der Unternehmen allerdings, eine automatische Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Inflationsentwicklung einzuführen", so die Organisation.

Redaktion beck-aktuell, 7. November 2018.

Mehr zum Thema