Regierung will bezahlbare Mobilität sicherstellen
Die Bundesregierung will eigenen Angaben zufolge mit dem Gesetzentwurf soziale Belange berücksichtigen, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewährleisten und bezahlbare Mobilität sicherstellen. Dazu soll zum einen die Befreiung von Elektrofahrzeugen von der Kraftfahrzeugsteuer verlängert werden. Zum anderen sollen Autos mit Verbrennungsmotor umso höher besteuert werden, je mehr Kohlendioxid sie ausstoßen, und zwar im Gegensatz zur geltenden Regelung progressiv, das heißt mit steigendem Ausstoß des Klimagases überproportional stark. Die Grünen wollen in ihrem Antrag eine noch stärkere Ausrichtung der Kfz-Steuersätze auf die CO2-Prüfwerte. Außerdem wollen sie die Kaufprämie für Elektrofahrzeuge als Gutschrift in die Kfz-Steuer integrieren.
Wirkliche Klimawirkung nur über Energiesteuer
In der Anhörung waren sich die Gutachter im Grundsatz einig, dass die Reform der Kraftfahrzeugsteuer nur einen geringen Beitrag zum Ziel eines klimaschonenden Verkehrs leisten kann. So sprach der Finanzwissenschaftler Fritz Söllner von der Technischen Universität Ilmenau von dem Versuch, "Klimapolitik zu betreiben mit einer Steuer, die dafür grundsätzlich nicht geeignet ist". Denn nicht der Besitz, sondern die Nutzung des Fahrzeugs entscheide, wie viel Kohlendioxid es ausstößt. Auf die Entscheidung, welches Auto jemand anschafft, habe die Kfz-Steuer dagegen kaum Einfluss, so Söllner, "es sei denn, sie ist so hoch, dass sie einem Verbot gleichkäme". Eine wirkliche Klimawirkung könne nur über die Energiesteuer oder die Einbeziehung des Verkehrs in den Zertifikatehandel mit Verschmutzungsrechten erzielt werden, befand Söllner.
Kfz-Steuer-Reform nicht isoliert zu betrachten
Frank Hechtner von der Universität Erlangen-Nürnberg stimmte dem zwar im Grundsatz zu, aber nicht in der Unbedingtheit. Diverse Studien zeigten, dass bei den Überlegungen der Käufer die Haltungskosten und damit auch die darin enthaltene Kfz-Steuer durchaus eine Rolle spielten. Auch dürfe man diese nicht isoliert betrachten, da ihre Reform nur eine Komponente im umfangreichen Klimapaket der Bundesregierung darstelle. Der Gesetzentwurf leiste "im Rahmen der Kfz-Steuer das, was er leisten kann", urteilte Hechtner.
Abschaffung der Kfz-Steuer vorgeschlagen
Isabel Klocke, Leiterin Steuerpolitik beim Bund der Steuerzahler, sprach sich grundsätzlich für die Abschaffung der Kfz-Steuer und stattdessen eine stärkere Nutzung der Energiesteuer zur Förderung des Klimaschutzes aus. Sie erinnerte daran, dass die Kfz-Steuer historisch als Luxussteuer eingeführt worden sei und erst später umweltpolitische Lenkungsfunktionen dazugekommen seien. Heute sei ihre Zielrichtung vergleichbar mit der Energiesteuer, weshalb die Reduzierung auf ein System sinnvoll sei, auch zur Verwaltungsvereinfachung.
Mehr Verwaltungsaufwand befürchtet
Den Verwaltungsaufwand verdeutlichte Thomas Liebel, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft BDZ. Über 2.500 Arbeitskräfte seien beim Zoll zur Bearbeitung der Kraftfahrzeugsteuer erforderlich. Änderungen führten, vor allem wenn es dabei zu Fehlern komme, stets "zu einer Masse an Anfragen und Rechtsbehelfsverfahren", die bearbeitet werden müssten. Ausdrücklich begrüßte Liebel, wie auch andere Sachverständige, die geplante Aufhebung einer Sonderregelung für leichte Nutzfahrzeuge unter 3,5 Tonnen. Diese erfordere derzeit tausende Einzelfallprüfungen, ob das Fahrzeug tatsächlich zu Transportzwecken und nicht zur Personenbeförderung genutzt wird, was zu einer steuerlichen Einstufung als Pkw führt.
Skepsis gegenüber Hubraumkomponente
Im Großen und Ganzen positiv bewertete Kurt-Christian Scheel, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie (VDA), die geplante Reform. Vor dem Hintergrund, dass rund zwei Drittel der Neuwagenkäufe auf gewerbliche Flotten und Autovermieter entfallen, erwartet Scheel durchaus eine "deutliche Anreizwirkung", klimaschonende Fahrzeuge zu kaufen. Denn in diesem Segment werde knapp kalkuliert. Stefan Gerwens, Leiter Verkehr beim ADAC, ergänzte, dass die Höhe der Kfz-Steuer auch Einfluss auf den Restwert eines Fahrzeugs beim Verkauf auf dem Gebrauchtwagenmarkt habe. Bei durchschnittlich 19 Jahren Haltedauer könnten je nach Modell erhebliche Beträge zusammenkommen. Gerwens wie auch Scheel und andere Sachverständige stellten allerdings die nach wie vor vorgesehene Hubraumkomponente bei der Festsetzung der Steuer in Frage. Dieses ursprünglich einzige Kriterium habe keine Lenkungswirkung mehr.
Bonus-Malus-System statt Kaufprämie
Für den Vorschlag im Antrag der Grünen, anstelle der jetzigen Kaufprämie für Elektrofahrzeuge ein Bonus-Malus-System in die Kfz-Steuer zu integrieren, sprach sich Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, aus. Danach soll es bereits beim Autokauf eine Gutschrift für besonders klimaschonende Modelle geben, für "Spritschlucker" dagegen einen kräftigen Zuschlag. Die aktuell geplante Reform schaffe keine wirklichen Anreize, da die Spreizung der Steuersätze zwischen umweltfreundlichen und umweltschädlichen Modellen zu gering sei. Ein Bonus-Malus-System könne zudem die Ressourcen berücksichtigen, die bereits zur Produktion des Fahrzeugs verbraucht werden. Ähnlich argumentierte Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland, der die geplante Reform "sehr ambitionslos" nannte. Einige europäische Länder hätten bereits mit einer Bonus-Malus-Regelung gute Erfahrungen gemacht. Sie sei sozial gerecht und klimapolitisch wirksam.