Kritik am Gesetzentwurf zur Restschuldbefreiung

Der Regierungsentwurf zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens ist bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 30.09.2020 äußerst kritisch beurteilt worden. Die Sachverständigen begrüßten zwar die geplante Verkürzung des Verfahrens von sechs auf drei Jahre, stellten sich aber deutlich gegen die unterschiedliche Behandlung von Verbrauchern und Unternehmern sowie die lange Speicherung von Insolvenzdaten bei Auskunfteien.

Kritik an Differenzierung zwischen Privatpersonen und Unternehmern

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände kritisierte alle geplanten Vorschriften im Entwurf, die nicht den wirtschaftlichen Neuanfang der überschuldeten Menschen im Fokus haben. Explizit wurde auch das dem Regierungsentwurf zugrunde liegende Schuldnerbild abgelehnt. Er sei von einem Missbrauchsgedanken durchzogen, so die Verbandsvertreterin Marion Kemper. Der Vorsitzender des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands, Christoph Niering, kritisierte, dass der Regierungsentwurf keine Möglichkeit für eine schnelle Wiederaufnahme beziehungsweise Fortsetzung der selbstständigen Tätigkeit biete. Damit werde die Chance vertan, den durch die Corona-Krise besonders getroffenen Freiberuflern, Einzelkaufleuten und Solo-Selbstständigen einen Neustart unter einer gesicherten Fortsetzung der selbstständigen Tätigkeit zu ermöglichen. Für bedenklich hält Niering wie die anderen Experten auch die Differenzierung zwischen unternehmerischen und nicht unternehmerisch tätigen Schuldnern.

Ungleichbehandlung bei geplanter Befristung der Verfahrensdauer problematisch

Deutliche Nachbesserungen am Entwurf forderte Martin Ahrens von der Georg-August-Universität Göttingen. Als Konsequenz der im Regierungsentwurf vorgesehenen Regelung, wonach die für nicht selbstständig wirtschaftlich tätige Schuldner auf drei Jahre verkürzte Verfahrensdauer anders als im Referentenentwurf nur bis 2025 gelten solle, werde eine gespaltene Rechtslage eintreten, erklärte Ahrens. Diese Differenzierung führe zu unterschiedlichen Abtretungsfristen zwischen Unternehmern und nicht unternehmerisch tätigen Personen. Dies schaffe nicht nur eine unnötige Komplexität, sondern auch erhebliche systematische und praktische Probleme. Gerhard Pape, Richter am Bundesgerichtshof a.D., sagte, gleichgelagerte Sachverhalte dürften ab 2025 nicht unterschiedlich behandelt werden, indem für Verbraucher die Rückkehr zu einer sechsjährigen Entschuldungsfrist vorgesehen sei, während Selbstständige und ehemals selbstständige Schuldner ihre Entschuldung binnen drei Jahren erreichten.

Überlange Speicherung von Insolvenzdaten nicht zweckmäßig

Hugo Grote von der Hochschule Koblenz erklärte in seiner Stellungnahme, der Regierungsentwurf bedürfe dringend der Überarbeitung, wobei im Referentenentwurf bereits zahlreiche interessengerechte Lösungen vorhanden seien, auf die zurückgegriffen werden könne. Wie Ahrens sprach sich Grote dafür aus, die im Referentenentwurf vorgesehene Verkürzung der Speicherfrist von Insolvenzdaten nach der Restschuldbefreiung auf ein Jahr wieder in das Gesetz aufzunehmen. Dies sei interessengerecht und fördere den wirtschaftlichen Restart von Unternehmern und Verbrauchern. Hans-Ulrich Heyer, Richter am Amtsgericht Oldenburg, schloss sich der Kritik an. Die Restschuldbefreiung sei die notwendige Restrukturierungsmöglichkeit für alle natürlichen Personen, ob sie wirtschaftlich selbstständig tätig seien oder nicht. Dem nachhaltigen Erfolg einer Entschuldung und einem damit bezweckten wirtschaftlichen Neustart laufe eine überlange Speicherung von Insolvenzdaten zuwider.

Referentenentwurf als besser bewertet

Das sah auch Hans Haarmeyer, emeritierter Professor aus Bonn, so. Im Vergleich zwischen dem Referenten- und dem Regierungsentwurf sei festzustellen, dass einzig die sofortige Verkürzung des Verfahrens auf drei Jahre positiv bewertet werden könne. Alle weiteren Änderungen seien entweder sinnfrei oder kontraproduktiv und entsprächen keinesfalls der Intention der EU-Richtlinie. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, aus dem Regierungsentwurf lediglich die sofortige Umsetzung zu übernehmen und es ansonsten bei den allseits begrüßten Regelungen des Referentenentwurfs zu belassen.

Zweifel an gesellschaftlicher Akzeptanz des Gesetzes

Die Frankfurter Rechtsanwältin Cristina Weidner schlug vor, Unternehmer und Verbraucher zusammenzufassen. Eine unterschiedliche Behandlung erscheine vor dem Hintergrund einer sozialen Ungleichbehandlung verschiedener Privatpersonen und damit einhergehenden Gefährdung der gesellschaftlichen Akzeptanz des Gesetzes nicht geboten. Die Expertin für Restrukturierungs- und Insolvenzrecht erklärte, die Erfahrung der vergangenen Jahre zeige, dass die Dauer der Restschuldbefreiung nicht proportional mit steigenden Einnahmen zu verbinden sei. Im Gegenteil führe eine lange Verfahrensdauer meist nur zu einem erhöhten Aufwand für alle Beteiligten, während aus Sicht der Schuldner faktisch und mangels bestehender Anreize die Rückkehr in das normalisierte Wirtschaftsleben erschwert werde.

Redaktion beck-aktuell, 1. Oktober 2020.