An­hö­rung im In­nen­aus­schuss: Ex­per­ten sehen Hand­lungs­be­darf beim Ka­ta­stro­phen­schutz

Ins­be­son­de­re der Kli­ma­wan­del, aber auch mög­li­che Cyber-At­ta­cken und die welt­wei­ten Mi­gra­ti­ons­be­we­gun­gen stel­len den Zivil- und Ka­ta­stro­phen­schutz in Deutsch­land vor neue Her­aus­for­de­run­gen. Ob­wohl die In­fra­struk­tur zur Ab­wehr von Ge­fah­ren für die Be­völ­ke­rung "gut auf­ge­stellt" und welt­weit vor­bild­lich sei, gebe es Hand­lungs- und Nach­hol­be­darf in we­sent­li­chen Be­rei­chen des Zi­vil­schut­zes. Zu die­sem Schluss kamen die Sach­ver­stän­di­gen bei einer öf­fent­li­chen An­hö­rung des In­nen­aus­schus­ses des Bun­des­ta­ges am 13.01.2020.

Zu­kunfts­fo­rum: Deutsch­land nicht genug auf Pan­de­mi­en und ABC-Ernst­fäl­le vor­be­rei­tet

Der ehe­ma­li­ge Prä­si­dent des Tech­ni­schen Hilfs­werks (THW) und heu­ti­ge Vor­sit­zen­de des ver­eins­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Zu­kunfts­fo­rums Öf­fent­li­che Si­cher­heit, Al­brecht Bro­em­me, nann­te in die­sem Zu­sam­men­hang die Ab­wehr einer mög­li­chen Pan­de­mie, einer "es­ka­lie­ren­den" Er­kran­kungs­wel­le, als Schwach­stel­le des Zi­vil­schut­zes. Nach­rüs­tungs­be­darf be­stehe auch gegen die Be­dro­hung durch ABC-Waf­fen. Hier sei der­zeit die "Re­ak­ti­ons­fä­hig­keit schwach aus­ge­baut".

THW: Ver­bes­se­rung bei Not­strom- und Trink­was­ser­ver­sor­gung er­for­der­lich

Der am­tie­ren­de THW-Prä­si­dent Gerd Fried­sam mahn­te eine Er­tüch­ti­gung sei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on ins­be­son­de­re in den Be­rei­chen der Not­strom- und der Trink­was­ser­ver­sor­gung an. Das THW müsse in der Lage sein, im Ka­ta­stro­phen­fall "sys­tem­re­le­van­te Ein­rich­tun­gen zu­ver­läs­sig mit Strom" zu be­lie­fern. An­ge­sichts der mit dem Kli­ma­wan­del zu­neh­men­den Ge­fahr lang­an­hal­ten­der Dür­re­pe­ri­oden seien auch die Ka­pa­zi­tä­ten auf dem Feld der Trink­was­ser­be­schaf­fung und -auf­be­rei­tung zu er­wei­tern.

Ex­per­te for­dert Stär­kung der Ei­gen­ver­ant­wor­tung und "Selbst­hil­fe­fä­hig­keit" in der Be­völ­ke­rung

Der Ber­li­ner Lan­des­brand­di­rek­tor Kars­ten Hom­rig­hau­sen be­klag­te eine "Voll­kas­ko-Men­ta­li­tät" in Tei­len der Ge­sell­schaft. Schon bei der "erst­bes­ten Stö­rung" er­tö­ne der Ruf nach dem Staat. Da­ge­gen seien die Ei­gen­ver­ant­wor­tung und die "Selbst­hil­fe­fä­hig­keit" der Men­schen stär­ker zu be­to­nen und ein­zu­for­dern. Der Staat al­lein könne nicht alle er­for­der­li­chen Maß­nah­men tref­fen. Auf "Stö­run­gen" vor­be­rei­tet zu sein, sei auch die Ver­ant­wor­tung jedes Ein­zel­nen. Um die­sen Ge­sichts­punkt stär­ker ins Be­wusst­sein zu heben, be­dür­fe es eines "ge­sell­schaft­li­chen Dia­logs". Als gro­ßes Pro­blem der Ein­satz­kräf­te nann­te Hom­rig­hau­sen die Nach­wuchs­ge­win­nung.

DRK: Flücht­lings­kri­se zeig­te Schwach­stel­len bei Not­un­ter­brin­gung auf

Der Ka­ta­stro­phen­schutz-Be­auf­trag­te des Deut­schen Roten Kreu­zes (DRK), Frank Jör­res, er­in­ner­te an die Flücht­lings­kri­se 2015/16 und an die ver­hee­ren­den Wald­brän­de der jüngs­ten Zeit in Bran­den­burg und Meck­len­burg-Vor­pom­mern zur Be­grün­dung sei­ner For­de­rung, den "Be­völ­ke­rungs­schutz neu zu den­ken". Jör­res mahn­te, Vor­sor­ge­struk­tu­ren aus­zu­bau­en und das Eh­ren­amt zu stär­ken. Der "Be­treu­ungs­be­reich", also die Not­un­ter­brin­gung und Ver­sor­gung von Be­trof­fe­nen einer Ka­ta­stro­phe, sei das "Stief­kind des Be­völ­ke­rungs­schut­zes". Jör­res zi­tier­te die Faust­for­mel, dass der Staat Not­un­ter­künf­te für 2% der Be­völ­ke­rung, in Deutsch­land also 1,6 Mil­lio­nen Men­schen, vor­hal­ten soll­te. Es sei nicht damit getan, die All­tags­ver­sor­gung zu op­ti­mie­ren: "Wir müs­sen die Krise stän­dig mit­den­ken."

Trend zur Schlie­ßung von Kran­ken­häu­sern schwächt Zi­vil­schutz

Der Prä­si­dent des Bun­des­am­tes für Be­völ­ke­rungs­schutz und Ka­ta­stro­phen­hil­fe, Chris­toph Unger, wies auf po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen hin, die den Er­for­der­nis­sen des Zi­vil­schut­zes zu­wi­der­lie­fen. So gebe es der­zeit eine Ten­denz, Kran­ken­haus­ka­pa­zi­tä­ten ab­zu­bau­en. Diese wür­den im Ka­ta­stro­phen­fall aber drin­gend ge­braucht. Auch Unger sprach sich für eine "for­ma­le Stär­kung der Bun­des­kom­pe­tenz" im Zi­vil­schutz aus. Der ehe­ma­li­ge Prä­si­dent des Deut­schen Feu­er­wehr­ver­ban­des, Hel­mut Ziebs, mach­te auf "er­heb­li­che De­fi­zi­te" in der Be­vor­ra­tung mit Le­bens­mit­teln und Aus­rüs­tungs­ge­gen­stän­den auf­merk­sam. Auch er be­für­wor­te­te eine "Rah­men­kom­pe­tenz" des Bun­des im Ka­ta­stro­phen­schutz.

Redaktion beck-aktuell, 14. Januar 2020.

Mehr zum Thema