Finanzausschuss: Experten warnen vor "Kollateralschäden“ durch "Anti-Share-Deals-Gesetz"

Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben in einer Anhörung des Finanzausschusses im Bundestag am 14.10.2019 kritisiert, dass die geplante Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (BT-Drs. 19/13437) die Umgehung von Grunderwerbsteuer durch Share-Deals nicht effektiv verhindern, sondern vielmehr zu erheblichen "Kollateralschäden" für sämtliche Branchen führen wird. Dies teilte der parlamentarische Pressedienst am 14.10.2019 mit. Vor "Kollateralschäden" hätten auch mehrere andere Sachverständige gewarnt.

Entwurf: Absenkung der Beteiligungsschwelle soll Steuerumgehung durch Share Deals entgegenwirken

Laut Gesetzentwurf wird Grunderwerbsteuer immer dann fällig, wenn das Eigentum an einem Grundstück übergeht. Um Grunderwerbsteuer zu vermeiden, werde häufig ein Unternehmen gegründet, dessen einziger Vermögensgegenstand ein Grundstück sei. Wenn statt des Grundstücks tatsächlich Anteile an dieser Gesellschaft erworben würden, bleibe die Gesellschaft rechtlich Eigentümerin des Grundstücks. Ein Eigentumswechsel finde nicht statt. Nach der bisherigen Steuerregelung wird bei einem Erwerb von weniger als 95 Prozent der Anteile einer solchen Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren keine Grunderwerbsteuer fällig. Es werde davon ausgegangen, dass das Gestaltungsmodell Share Deals in der gegenwärtigen Rechtslage bei hochpreisigen Transaktionen zu durchaus nennenswerten Steuermindereinnahmen führen dürfte, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Die Neuregelung sieht vor, dass die Beteiligungsschwelle, ab der ein Grundstückserwerb angenommen wird, auf 90 Prozent abgesenkt wird. Außerdem soll die Frist verlängert werden, innerhalb derer die Anteilskäufe der neuen Eigentümer berücksichtigt werden. Sie soll statt fünf in Zukunft zehn Jahre betragen.

Niedersächsischer Finanzminister fordert schlüssiges Gesamtkonzept

Der als Sachverständiger geladene niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) erklärte dazu, wer eine Gestaltung auf 94,9 Prozent hinbekomme, bekomme auch 89,9 Prozent hin. Der Gesetzentwurf erreiche die Ziele nicht, warnte Hilbers, der sich für ein "schlüssiges, effektives und systematisches Gesamtkonzept" aussprach.

Wirtschaft warnt vor "Kollateralschäden"

Die Spitzenverbände kritisierten, dass in Zukunft Unternehmen erfasst würden, die Immobilien für die operativen Geschäfte des Unternehmens benötigen würden, zum Beispiel Produktionshallen und Bürogebäude. Bei diesen würden zukünftig wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen unter Beteiligung von grundbesitzenden Gesellschaften behindert. Ebenfalls würden Immobilien als Kapitalanlage, beispielsweise für Altersvorsorgeprodukte, getroffen, obgleich derartige Investitionen ebenfalls nicht aus Steuerspargründen getätigt würden.

Wissenschaftler fordern Absenkung der Beteiligungsschwelle auf 75%

Kritik kam auch aus der Wissenschaft, wenn auch aus anderen Gründen. So erläuterte Professor Henning Tappe von der Universität Trier, dass die Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsschwelle von 95 auf 90 Prozent mit Blick auf die Verhinderung von Gestaltungen ein Schritt in die richtige Richtung sei. Share Deals würden jetzt aber nicht unattraktiver. Sicher verhindert würden sie auf diese Weise nicht. Die Absenkung der Grenze sei nicht ausreichend. Tappe brachte eine Absenkung der Grenze auf 75 Prozent ins Spiel. Es werde zwar das Scheunentor geschlossen, "aber die Flügeltür bleibt offen". Auf Fragen von Abgeordneten erklärte er, es sei schwer zu rechtfertigen, dass private Erwerber bis zu 6,5 Prozent Steuern entrichten müssten, große Unternehmen, die ganze Straßenzüge kaufen würden, aber nicht. Für eine Absenkung auf 75 Prozent plädierte auch Professor Rainer Wernsmann (Universität Passau). Die Absenkung der Beteiligungsschwelle auf 90 Prozent in Kombination mit der Verlängerung der Haltefrist auf zehn Jahre erscheine "unzureichend zur Verhinderung von Steuerumgehungen".

Absicherung neuer Steuergestaltungen durch geplantes Gesetz

Professor Ulrich Hufeld (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) sagte, Umgehungsgestaltungen würden zwar unattraktiver, doch würden sie bis zur Grenze von 89,9 Prozent attraktiv bleiben. Eine weitere Senkung der Grenze sah er kritisch. Die Zehnjahresfrist bezeichnete er als möglicherweise verfassungswidrig. Nach Ansicht des Instituts Finanzen und Steuern kann bei großen Immobilientransaktionen gestalterisch die Grunderwerbsteuer umgangen werden, während andererseits jedoch zahlreiche Share Deals besteuert würden, bei denen eine grunderwerbsteuerbezogene Umgehungsabsicht fernliege. "Der vorliegende Gesetzentwurf verschärft diese Situation", so der Vertreter des Instituts. Professor Heribert Anzinger (Universität Ulm) erwartet sogar, dass mit dem Gesetzentwurf neue Steuergestaltungen zum Beispiel über Stiftungen abgesichert werden könnten. Die von der Regierung geplanten Maßnahmen "erscheinen wenig geeignet, um das Ziel des Gesetzentwurfs zu erreichen".

Immobilienwirtschaft: Entwurf kontraproduktiv für Wohnraumschaffung

Unter Berufung auf Praxis und Wissenschaft stellte der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), die Spitzenorganisation der Immobilienwirtschaft in Deutschland, fest, dass die Regelungen "untauglich und weitgehend nicht erfüllbar" seien. Es würden Konzernumstrukturierungen erschwert, und bei Unternehmen sowie bei der Finanzverwaltung werde es einen immensen Verwaltungsmehraufwand geben. "Die drohende zusätzliche grunderwerbsteuerliche Belastung, die sich beispielsweise auch im Rahmen der Projektentwicklung auswirkt, würde ferner kontraproduktiv bei dem Bemühen wirken, mehr Wohnraum zu schaffen und die Kosten der Nutzer zu senken. Denn die das Grundstück doppelt belastende Grunderwerbsteuer wird am Ende vom Erwerber zu tragen sein, der sie an den Nutzer weiter belastet", stellte der ZIA in seiner Stellungnahme fest.

Redaktion beck-aktuell, 15. Oktober 2019.