Anhörung: Experten kritisieren Pflegesofortprogramm

Das geplante Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (BT-Drs. 19/4453) stößt bei Gesundheitsverbänden auf einige Bedenken. Dies habe eine Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags am 10.10.2018 gezeigt, teilte der parlamentarische Pressedienst mit. Zwar werde die Intention begrüßt, das Pflegepersonal in der stationären Kranken- und Altenpflege aufzustocken, allerdings würden die dazu vorgesehenen Methoden kritisch hinterfragt.

Alten- und Behindertenhilfeverband fordert mehr Pflegekräfte auch im teilstationären und ambulanten Bereich

Der Gesetzentwurf ist nach Ansicht des Verbandes der Deutschen Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) zu einseitig auf Verbesserungen in der vollstationären Pflege ausgerichtet. Um die Lage zu verbessern, müsse es auch im teilstationären und ambulanten Bereich mehr Pflegekräfte geben. Angesichts des Fachkräftemangels sei mit einer Umverteilung auf Kosten der beiden Bereiche zu rechnen. Es dürfe kein Keil zwischen die Versorgungsbereiche der Pflege getrieben werden. Das Sofortprogramm müsse für die ganze Pflege gelten.

Sozialverband VdK: Eigenanteile in Pflegeheimen werden durch höhere Vergütungen stark steigen

Der Sozialverband VdK ging auf die steigenden Eigenanteile in Pflegeheimen ein. Höhere Vergütungen der Fachkräfte in der vollstationären Pflege führten "zu wahrhaften Kostenexplosionen für die Pflegehaushalte" und in der ambulanten Pflege gegebenenfalls zu einer Unterversorgung. Der Anstieg der Eigenanteile müsse schnellstens gestoppt und zurückgeführt werden.

Pauschalzuschlag für Personalstärkung in Pflegeheimen kann nur erster Schritt sein

Die 13.000 zusätzlichen Stellen in der Altenpflege reichten zudem für eine adäquate Versorgung nicht aus. Allein für die medizinische Behandlungspflege müssten jährlich mehrere Milliarden Euro veranschlagt werden. Die genannten 640 Millionen Euro, die als Kompensation aus dem GKV-System gedacht seien, können laut VdK nur ein erster Schritt sein. Zudem dürfe das Ziel einer vollständigen Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege durch die GKV nicht aus den Augen verloren werden. Der Pauschalzuschlag der GKV löse das Problem nicht. Für die Fachkräfte in den mehr als 13.000 ambulanten Pflegediensten sei gar keine Entlastung geplant. Ein Sprecher der GKV wies in der Anhörung darauf hin, dass eine komplette Kostenverlagerung der medizinischen Behandlungspflege in die GKV drei Milliarden Euro kosten würde.

Verbände warnen vor Einsatz von Hilfskräften in der medizinischen Behandlungspflege

Mehrere Verbände warnten davor, in Pflegeheimen nicht verfügbare Fachkräfte nach drei Monaten der Suche durch Hilfskräfte zu ersetzen. Dies sei in der anspruchsvollen medizinischen Behandlungspflege, die von dem Stellenförderprogramm vor allem profitieren solle, nicht vertretbar.

AOK kritisiert von Fallpauschalen unabhängige Vergütung der Pflegepersonalkosten in Krankenhäusern

Der AOK-Bundesverband kritisierte die geplante Herauslösung der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen (DRG) im Krankenhaus. Die Rückkehr zur Selbstkostendeckung sei nicht nachvollziehbar, weil mit dem DRG-System erst die nötige finanzielle Transparenz hergestellt werde. Eine sachgerechte Verwendung der DRG-Pflegeerlöse könne auch erreicht werden, ohne das ganze System zu zerschlagen, etwa über eine Neuberechnung der DRGs.

Bundesärztekammer: Fallpauschalenunabhängige Vergütung erhöht Versorgungsqualität

Die Bundesärztekammer (BÄK) erklärte hingegen, mit der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus den DRG's werde die Grundlage gelegt für eine bessere Personalverfügbarkeit und bessere Arbeitsbedingungen und somit für die Qualität der Versorgung. Die "Systemkorrektur" könne aber nur gelingen, wenn sie für alle Gesundheitsberufe in Kliniken gelte, einschließlich des Tarifausgleichs ab 2018.

Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert Beibehaltung des Pflegezuschlags

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wandte sich gegen die Streichung des Pflegezuschlags im Umfang von bisher 500 Millionen Euro pro Jahr ab 2020. Damit würden die Kliniken in ihren Möglichkeiten zur Stärkung der Pflege geschwächt. Die vorgesehenen Verbesserungen für das Pflegepersonal müssten weitgehend aus dem Mittelbestand der Häuser genommen werden. Die DKG forderte, den Pflegezuschlag dauerhaft zu erhalten. Ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes nannte in der Anhörung die Argumente der DKG nicht nachvollziehbar. Wenn die Krankenhauspflege künftig vollständig refinanziert werde, sei der Pflegezuschlag nicht mehr nötig.

Verband für Pflegeberufe: Personalbedarf in Klinikpflege anhand des tatsächlichen Pflegebedarfs ermitteln

Die geplante Methode zur Ermittlung des Personalbedarfs in der Klinikpflege wird vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) abgelehnt. Ein Personalquotient könne die Versorgungsqualität nicht verbessern. Nötig sei ein fundiertes Personalbemessungsverfahren, das sich am tatsächlichen Pflegebedarf orientiere. Dazu gebe es bereits Instrumente wie die Pflegepersonalregelung (PPR) und die Psychiatrie Personalverordnung (Psych-PV).

Ökonomin: Künftige Finanzierung der Pflege neu beraten

Die Ökonomin Susanna Kochskämper mahnte in der Anhörung, angesichts steigender Kosten in der Pflege müsse über die künftige Finanzierung und Lastenverteilung neu beraten werden. Auch ein Sprecher der Deutschen Stiftung Patientenschutz forderte ein Gesamtkonzept zur Finanzierung der Pflege.

Redaktion beck-aktuell, 11. Oktober 2018.

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