BUND: Mittelfristig droht Verlust der Gentechnikfreiheit
Die Leiterin Gentechnik-Politik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Heike Moldenhauer (BUND), trat für ein Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen ein. Ihrer Ansicht nach nutzt die Bundesregierung den durch die EU-Richtlinie eröffneten Spielraum nicht aus. Obwohl die Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Gentechnik sogar im Koalitionsvertrag festgehalten seien, werde der Gesetzentwurf der Ablehnung nicht gerecht. "Es werden hohe Hürden aufgebaut, die ein bundesweites Anbauverbot unmöglich machen", meinte Moldenhauer. Sie forderte, die Beteiligung aller Bundesministerien zu streichen. Sollte der Gesetzentwurf verabschiedet werden, leiste dieser einem "Flickenteppich" Vorschub, wenn nicht alle Bundesländer Anbauverbote verhängen. Mittelfristig drohe dadurch der Verlust der Gentechnikfreiheit für in Deutschland erzeugte landwirtschaftliche Produkte.
Experten rügen "verfassungswidrige Mischverantwortung" zwischen Bund und Ländern
Staatssekretärin Beatrix Tappeser vom hessischen Landwirtschaftsministerium favorisierte die Bundesratsvorschläge, die das Ziel eines bundesweit zentralen und einheitlichen Verfahrens bei Beschränkungen oder Verboten für den GVO-Anbau vorsehen. Der Bundesrat folge nicht der vom Bund vertretenen Einschätzung, dass eine höhere Rechtssicherheit nur bei Zuständigkeit der Länder erreicht werden könne. Dadurch werde der einfache und schlanke Weg, den die EU durch ihre Vorlage eröffnet habe, unnötig kompliziert gemacht. Bundesweite und flächendeckende Anbauverbote würden dadurch in weite Ferne rücken. Diese Ansicht teilten auch Einzelsachverständige: Die vom Bund vorgelegte Regelung beinhalte eine "verfassungswidrige Mischverantwortung" zwischen Bund und Ländern, so Georg Buchholz. Das Bewertungsverfahren ermögliche keine Diskussion über die ökonomische Sinnhaftigkeit von GVO und konzentriere sich nur auf den Aspekt der Sicherheit, so Wolfgang Koehler. Das sei der falsche Ansatz.
Verwendungsverbot für als sicher befundene Produkte problematisch
Schwerwiegende verfassungs-, unions- und welthandelsrechtliche Bedenken äußerte Hans-Georg Dederer von der Juristischen Fakultät der Universität Passau. Seiner Ansicht nach zielt die Änderung einzig auf ein Verwendungsverbot für als sicher befundene Produkte. Denn Verbote würden letztlich gegenüber GVO ausgesprochen, die durch EU-Kontrollbehörden auf Basis wissenschaftlicher Expertisen sowie entsprechend der Sicherheits-, Umwelt- und Gesundheitsregeln erlaubt worden sind. "Das wäre das Ende der grünen Gentechnik", sagte er. In eine ähnliche Kerbe schlug auch Hans-Jörg Jacobsen vom Institut für Pflanzengenetik der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover, der feststellte, dass im Ausland neue Techniken wie das Genome Editing bereits angewendet würden. Der Wissenschaftler befürchtete negative Auswirkungen durch die Einführung des Opt-out im Hinblick auf solche neuen Züchtungstechniken, die er nicht zur Gentechnik zählte und deshalb auch nicht als regelungsbedürftig erachtete.
Forscher warnen vor Innovationsbremse
Jacobsen forderte für entsprechende Entscheidungen das Einvernehmen des Bundesforschungsministeriums, um die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Begründung für Anbauverbote zu erhalten. Ebenfalls als nicht erforderlich betrachtete Joachim Schiemann vom Julius-Kühn-Institut den Erlass nationaler Anbauverbote für GVO, die auf Grundlage einer wissenschaftlichen Risikobewertung für den Anbau in Europa zugelassen sind. Für Schiemann stellt das Gesetz im Vergleich zur vorherigen Regelung aber eine Verbesserung dar, denn nun müssten die Gründe für Verbote klar benannt werden. Fragwürdige wissenschaftliche Begründungen müssten dann nicht mehr bemüht werden, um politische Entscheidungen zu legitimieren. Der Wissenschaftler warnte in seiner Stellungnahme zudem davor, mit dem Gesetz Innovationen zu behindern. Auch Schiemann sah im Genome Editing ein großes Potenzial und eine wichtige Zukunftstechnologie.