Rechtsausschuss: Experten fordern Nachbesserungen bei geplanter Neuregelung des Fixierungsrechts

Experten sehen die geplante Neuregelung des Fixierungsrechts (BT-Drs. 19/8939) kritisch. Dies hat eine Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages am 08.05.2019 gezeigt, wie der parlamentarische Pressedienst mitteilte. Unter anderem seien verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden. Insbesondere die Ausgestaltung des Richtervorbehalts sei als unzulänglich beanstandet worden.

Geplantes Gesetz soll BVerfG-Urteil umsetzen

Mit dem Entwurf soll einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BeckRS 2018, 16075), das Vorgaben für Fixierungsanordnungen im Rahmen öffentlich-rechtlicher Unterbringungen macht, Rechnung getragen werden. Die Vorgaben begründen der Vorlage zufolge auch im Bereich des Straf- und Maßregelvollzugs, der Zivilhaft sowie im Bereich des Vollzugs der Untersuchungshaft und der einstweiligen Unterbringung die Notwendigkeit, Rechtsgrundlagen für Fixierungen, Regelungen zur sachlichen und örtlichen gerichtlichen Zuständigkeit für freiheitsentziehende Fixierungsanordnungen, zum anzuwendenden gerichtlichen Verfahrensrecht und zur Kostenerhebung zu schaffen. Auch Fälle der freiheitsentziehenden Fixierung von Personen, die nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker erfolgen, sollen bundeseinheitlich geregelt werden.

Experten: Richtervorbehalt unzulänglich ausgestaltet

Die Sachverständigen begrüßten die schnelle Umsetzung des Urteils durch den Gesetzgeber, äußerten sich gleichwohl kritisch sowohl zu inhaltlichen Punkten wie auch zu handwerklichen Schwächen, die der Entwurf aus ihrer Sicht aufweist. So bemängelte der Strafrechtler Alexander Baur von der Universität Hamburg, dass der Richtervorbehalt effektiver gestaltet werden müsse. Auch der Strafrechtler Heinz Kammeier und die Rechtsanwältin Jenny Lederer vom Deutschen Anwaltverein halten den Richtervorbehalt für nachbesserungswürdig. Kammeier sprach von einen Phantom, Lederer hält ihn für bedenklich. Beide Experten warnten vor einer Aushöhlung des Richtervorbehalts, da dieser auf andere Personen ohne erforderliche Qualifizierung abgewälzt werden könne. Die Anordnungsbefugnis sei sehr problematisch, fügte Lederer hinzu. Kammeier sagte, der Entwurf entspreche zum Teil nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen.

Einheitliche gerichtliche Zuständigkeit gefordert

Baur moniert weiter, dass auch die vorgesehene geteilte gerichtliche Zuständigkeit nicht näher begründet werde. Die Belastung der Gerichte werde zunehmen. Mehrere Sachverständige sprachen sich dafür aus, die gerichtliche Zuständigkeit bei den Amtsgerichten zu bündeln. Die Justiz müsse in der Lage sein, den effektiven Rechtsschutz bei Fixierungen in den Einrichtungen vor Ort zu gewährleisten, sagte Marc Petit, Richter am Landgericht Lübeck. Das klappe seiner Erfahrung nach mit den Amtsgerichten am besten. Gleichwohl gebe es praktische Probleme bezüglich Ausstattung und Personal. Auch Ragnar Schneider, Richter am Amtsgericht München, sprach sich für ein einheitliches Verfahren mit nur einem Spruchkörper aus.

Unterschiedliche Fixierungsvoraussetzungen erforderlich?

Nicht klar genug formuliert ist den Sachverständigen zufolge auch die Frage, ob sich die Voraussetzungen einer Fixierung im Strafvollzug der Sache nach nicht grundlegend von denen einer Fixierung in der landesrechtlichen Unterbringung oder auch im Vollzug der strafrechtlichen Behandlungsmaßregeln unterscheiden. Nicht eindeutig ist Petit zufolge auch die Definition der Fixierungen. Dies bringe Probleme in der Praxis mit sich. Auch der Vizepräsident des DBH - Fachverband für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik, Johannes Sandmann, mahnte Verbesserungen bei Formulierungen des Entwurfs an.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Absenkung von Anforderungen

Peter Fölsch, Stellvertretender Direktor des Amtsgerichts Bad Segeberg, begrüßte im Namen des Deutschen Richterbunds die geplanten Regelungen. Diese müssten aber mit dem systematischen Gesamtgefüge der bereits existierenden rechtlichen Grundlagen in Einklang stehen. Auch der Richterbund hat verfassungsrechtliche Bedenken zu verschiedenen Regelungsvorschlägen, weil sie laut Fölsch die besondere Schwere des Eingriffs durch eine Fixierung und die hiermit verbundenen Gesundheitsgefahren nicht ausreichend berücksichtigen. So könne es nicht richtig sein, erklärte Fölsch, dass für ein Hauptsacheverfahren die Anforderungen an eine Sachverhaltsaufklärung abgesenkt werden und die Einholung eines ärztlichen Zeugnisses - statt eines Gutachtens - ausreichen soll. Auch müssten Qualifikationen für den behördlich beteiligten und den gerichtlich bestellten Arzt gesetzgeberisch festgelegt werden müssen.

Fixierung als Ultima Ratio betonen

Die Ärzte Christian Koßmann und Dirk Zedlick gaben den Abgeordneten Einblicke in ihre Arbeit in psychiatrischen Kliniken. Zedlick bedauerte, dass der Entwurf nicht widerspiegle, dass es sich wie vom Bundesverfassungsgericht betont bei einer Fixierung um eine Ultima Ratio handele. Dies müsse betont werden, denn zunächst müssten andere Methoden der Ruhigstellung zur Anwendung kommen. Wichtig für die Umsetzung sei auch ausreichendes Personal. Koßmann betonte die Notwendigkeit der Gewährleistung einer Eins-zu-Eins-Betreuung. Mehr Personal bedeute weniger Fixierungen. Eine richterliche Genehmigung, wenn die Fixierungsdauer eine halbe Stunde überschreitet mag gerechtfertigt sein, sagte Koßmann. Die Dauer von 30 Minuten sei seines Erachtens allerdings zu kurz, manchmal dauere es länger, bis sich die Situation und der Patient beruhigt hat. 60 Minuten wären sinnvoller.

Richtervorbehalt muss für jede Fixierung gelten

Zedlick sagte, auch wenn das Bundesverfassungsgericht nur die 5- und 7-Punkt-Fixierung betrachtet, sei es für den Betroffenen egal, ob er 2-, 3-, 4-, oder 5-, oder 7-Punkt fixiert ist. Jede Fixierung sei eine Freiheitsentziehung und bedürfe des Richtervorbehalts. Dieser Sachverhalt werde im Entwurf nicht ausreichend gewürdigt. Auch die Regelungen zur jederzeitigen ärztlichen Überwachung und deren Zielsetzung seien nicht ausreichend konkret.

Entwurf fußt auf wackeliger Tatsachengrundlage

Baur sprach sich für eine schnelle Evaluation des Gesetzes aus, da der vorliegende Entwurf vielfach auf einer wackeligen Tatsachengrundlage stehe. So lasse sich derzeit noch nicht einmal sagen, wie viele Fixierungen pro Jahr es bundeseinheitlich gebe. Generell gebe es zu wenig Problembewusstsein.

Redaktion beck-aktuell, 9. Mai 2019.