Befugniserweiterung mit "vorsorglichem" Charakter
Zu den neuen Befugnissen der BaFin, die der von der Bundesregierung eingebrachte "Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts im Bereich der Maßnahmen bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems und zur Änderung der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie" vorsieht, gehört die Festlegung bestimmter Mindeststandards für die Vergabe von Neukrediten. Die Bundesregierung betont in der Begründung, dass die neuen BaFin-Instrumente "rein vorsorglich" geschaffen würden, "um für den Gefahrenfall das geeignete Instrumentarium für ein schnelles und zielgerichtetes Handeln der Aufsicht zur Verfügung zu stellen".
Gesetzeskritiker verweisen auf stabilen Immobilienmarkt in Deutschland
Stephan Rabe vom Zentralen Immobilienausschuss stellte fest: "Wir haben keine Blase, wir wollen keine Blase, und wir wollen keine Blase herbeireden." Auch Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft verwies auf den stabilen Immobilienmarkt in Deutschland. Es gebe kaum variabel verzinste Darlehen, die bei Zinssteigerungen zu Problemen für die Hauskäufer führen könnten. Außerdem gebe es hohe Tilgungsraten, sodass die Lage mit der in den USA nicht vergleichbar sei, wo es fast keine Tilgung gebe.
Bankenvertreter sehen deutschen Immobilienmarkt gut gegen systemische Risiken geschützt
Trotz einer zum Teil deutlichen Preissteigerung liege gegenwärtig in Deutschland keine Überhitzung des Immobilienmarktes vor, stellte auch die deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der fünf Bankenverbände, fest. Der Gesetzgeber wolle dennoch die Kreditvergabe regulieren. Andere Möglichkeiten zur Bekämpfung einer Überhitzung, etwa steuerliche Maßnahmen oder die Bereitstellung von Bauland in Ballungsgebieten sowie eine Vereinfachung der Bauordnung, sehe der Entwurf dagegen nicht vor, monierten die Vertreter der Kreditwirtschaft weiter. Außerdem sei der deutsche Immobilienmarkt gut gegen systemische Risiken geschützt.
Immobilienbranche: Überbewertungen auf Wohnimmobilienmärkten rein regionales Phänomen
Mögliche Überbewertungen auf den Wohnimmobilienmärkten seien in Deutschland ein rein regionales Phänomen, erklärte der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Betroffen seien überwiegend einzelne Großstädte und Ballungsgebiete. Der ländliche Raum verliere dagegen Einwohner. "Ein flächendeckendes Problem, von dem wesentliche Systemrisiken ausgehen könnten, ist aus unserer Sicht derzeit nicht ersichtlich", stellte der Verband fest.
Argument gegen zusätzliche Maßnahmen: Ausfallraten bei Krediten minimal
Auch der Zentrale Immobilienausschuss erklärte, im privaten Immobilienfinanzierungsgeschäft bestehe keine Dringlichkeit, zusätzliche Instrumente einzuführen. Die Ausfallraten bei den Krediten seien minimal. Die große Stabilität des deutschen Wohnimmobilienfinanzierungsmarktes lasse es fraglich erscheinen, "ob makroprudenzielle Instrumente tatsächlich benötigt werden und ob deren gesellschaftliche Kosten den Nutzen für die Finanzstabilität nicht überschreiten", stellte das Institut der deutschen Wirtschaft in seiner Stellungnahme fest.
Regionale Begrenzung der Maßnahmen angeregt
Positive Resonanz kam dagegen von Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen. Nach seiner Meinung will die Regierung mit ihrem Entwurf die Verantwortung für eine kreditnehmergerechte Immobilienfinanzierung sehr viel stärker zu den Kreditinstituten verlagern. Dies sei zu begrüßen, "da der normale Verbraucher in der komplexen und für ihn zumeist singulären Frage der Finanzierung einer Wohnimmobilie tendenziell überfordert ist", schrieb Gottschalk in seiner Stellungnahme. Wenn jetzt die "Profi-Seite" des Marktes in eine stärkere Haftungsverantwortung gestellt werde, sei das angemessen. Gottschalk regte allerdings eine regionale Begrenzung der Maßnahmen an, "denn mögliche Überhitzungen des Marktes dürften eher lokal und regional sowie insbesondere in den Großstädten auftreten". Einen ähnlichen Vorschlag machte auch Thomas Theobald von der Hans-Böckler-Stiftung, während andere Sachverständige dies zum Teil strikt ablehnten.
Hereinnahme von Gewerbeimmobilien gefordert
Rudolf Hickel von der Universität Bremen nannte eine Regulierung gegen Immobilienspekulationen, die zu einer sich verstärkenden Blase führen würden, "dringend erforderlich". Der Gesetzentwurf setze nicht an der Nachfrage nach Immobilien an, sondern konzentriere sich auf die staatliche Regulierung der Anforderungen an die Kreditvergabe. So könne die BaFin Obergrenzen für das Verhältnis von Darlehenshöhe und Immobilienwert festsetzen sowie einen Zeitraum vorgeben, in dem ein bestimmter Anteil des Darlehens zu tilgen sei. Hickel regte noch weitergehende Maßnahmen an, etwa die Hereinnahme von Gewerbeimmobilien in den Entwurf. Der Verbraucherzentrale Bundesverband warnte in seiner Stellungnahme allerdings davor, den Verbraucherschutz zu verschlechtern.
Auch Finanzmarktexpertin für Einbeziehung von Gewerbeimmobilien
Die Finanzmarktexpertin Isabel Schnabel von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn wies in ihrer Stellungnahme Kritik an dem Entwurf zurück. Ein Markteingriff lasse sich rechtfertigen, wenn die Vergabe von Immobilienkrediten mit geringer Besicherung oder an stark verschuldete Kreditnehmer Auswirkungen auf die Finanzstabilität und damit auf die Volkswirtschaft als Ganzes habe. Schnabel rechnete jedoch nicht damit, dass die Instrumente bald genutzt werden müssten, denn die Immobilienpreise seien zwar gestiegen, aber ein rasantes Kreditwachstum lasse sich bisher nicht beobachten. Auch Schnabel bezeichnete es als Versäumnis, dass Gewerbeimmobilien nicht in die Regelung einbezogen seien, wo es laut Europäischer Zentralbank Zeichen für eine Überhitzung gebe.
Experte: Nachbesserungen bei Wohnimmobilienkreditrichtlinie sinnvoll
Sinnvolle Nachbesserungen in Bezug auf die bereits 2016 in Kraft getretene Wohnimmobilienkreditrichtlinie sah hingegen Sven Bienert von der MRICS REV – Universität Regensburg. Einzelne Elemente bedürften jedoch der Diskussion. So könne eine Störung schon bereits eingetreten sein, wenn es zum Einsatz der Instrumente komme. Korrekturen nur anhand des Neugeschäfts könnten bei grundsätzlichen makroökonomischen Problemen eine generelle Marktkorrektur kaum verhindern. Den Banken im Krisenfall Kennzahlen vorzuschreiben, könne auch prozyklische Wirkungen entfalten und Krisen verstärken, so der Experte.
Gesetzentwurf Schritt in richtige Richtung – Hemmung aber durch EU-Vorgaben
Bezugnehmend auf die im Entwurf vorgesehenen Regelungen zur Kreditaufnahme für Wohnzwecke für junge Familien und Senioren stellte Peter Mühlberg von der Universität Mainz fest, die Formulierungen seien geeignet, die auf die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zurückgehenden Probleme etwas zu klären und zu bereinigen. Hingegen nannte Sebastian Omlor von der Philipps Universität Marburg die europäischen Vorgaben für den Gesetzgeber sehr einengend. Durch den Gesetzentwurf komme es zu Erleichterungen an verschiedenen Stellen. Der Entwurf sei ein Schritt in die richtige Richtung, werde aber gehemmt durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, "die wir nicht ändern können".
Deutscher Sparkassen- und Giroverband berichtet über Rückgang des Kredit-Neugeschäfts
In diesem Zusammenhang berichtete der Deutsche Sparkassen- und Giroverband von einem Rückgang des Kredit-Neugeschäfts aufgrund der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in einem Umfang von fünf bis 15%, was die Deutsche Bundesbank allerdings nicht bestätigen konnte.