Experten üben Kritik an geplanter Pflegereform

In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses äußerten die geladenen Experten deutliche Kritik an der geplanten Pflegereform. Der Gesetzentwurf der Ampel, der im Wesentlichen Pflegebeitragserhöhungen und nur geringe Leistungsanhebungen beinhaltet, habe wichtige Vorhaben und die Lösung zentraler Fragen nicht berücksichtigt. Die Sachverständigen mahnten eine grundlegende Systemreform an, um die Pflege nachhaltig finanzieren zu können.

Vorwurf: Erhalt von Leistungen nicht sichergestellt

Der "wir pflegen!" e.V. - eine Interessenvertretung der pflegenden Angehörigen - beklagte, etliche wichtige Vorhaben seien nicht berücksichtigt worden, so etwa die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen über Steuern. Pflegebedürftige und Angehörige müssten bei Bedarf die Leistungen auch erhalten können, das sei jedoch nicht der Fall. Die pflegerische Infrastruktur weise gravierende Lücken auf. In der Folge würden gesetzliche Leistungsansprüche nicht in Anspruch genommen. Der Interessenverband forderte einen Rechtsanspruch auf Tagespflege. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft mahnte eine große Systemreform an. Schon heute müssten Familien große Abstriche in der Versorgung hinnehmen, weil die Kosten einer am Bedarf orientierten Versorgung explodierten. Nötig sei die sofortige Dynamisierung der Leistungen.

Sozialverband und Pflegerat vermissen langfristige Lösungsvorschläge

Nach Ansicht des Sozialverbandes Deutschland bleibt die Vorlage weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Trotz der angespannten Situation in der Langzeitpflege beschränke sich der Entwurf auf kurzfristig wirkende Vorschläge. Grundlegende Lösungen zur langfristigen Stabilisierung der pflegerischen Versorgung würden vertagt. Mit der Streichung der ursprünglich geplanten Zusammenführung von Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zu einem gemeinsamen Jahresbetrag sei eine zentrale Entlastungsregelung entfallen. Diesen Punkt kritisierten in der Anhörung auch diverse weitere Sachverständige. Auch der Deutsche Pflegerat sieht in der Anhebung der Beiträge und der geringen Anpassungen der Leistungen keine langfristigen Lösungen, um den Herausforderungen in der pflegerischen Versorgung entgegenzutreten. Er befürchtet einen Zusammenbruch der Versorgungsstrukturen, da die Akteure ihren Auftrag nicht sicherstellen könnten.

Kritik an mangelnder Stärkung der häuslichen Pflege und geplanter Beitragsdifferenzierung nach Kindern

Die Vertreterin des AOK-Bundesverbandes hob die Stärkung der häuslichen Pflege als zentrale Aufgabe hervor. Mit dem Entwurf würden keine Initiativen ergriffen, mit denen Potenziale zum Erhalt und zur Förderung der Selbstständigkeit und Fähigkeiten der Pflegebedürftigen gestärkt werden könnten, um Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern. Der Arbeitgeberverband BDA stellte die Umsetzung der geplanten Beitragsdifferenzierung nach Kindern zum 01.07.2023 infrage. Die dazu nötige Erhebung der Daten sei aufwendig, das sei in dem vorgesehenen Zeitraum nicht zu bewältigen. Sinnvoll wäre überdies, für diesen Zweck eine zentrale, digitale Erfassungsstelle einzurichten.

Hintergrund: Pflegebeitragserhöhung ab Juli

Mit der Pflegereform sollen Pflegebedürftige entlastet und die Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung stabilisiert werden. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP sieht zum 01.07.2023 eine Anhebung des Pflegebeitrags um 0,35 Punkte auf 3,4% vor. Der Pflegebeitragssatz wird nach der Zahl der Kinder weiter ausdifferenziert. Das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungen sollen zum 01.01.2024 um 5% angehoben werden. Gestaffelt angehoben werden mit Jahresbeginn 2024 auch die Zuschläge der Pflegekassen an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen.

Redaktion beck-aktuell, 11. Mai 2023.