Ein wegen Cum-Ex-Steuerdeals angeklagter Ex-Banker will nicht zu einem Strafprozess nach Bonn kommen, sondern in seinem Heimatland Schweiz bleiben. Einen entsprechenden Anwaltsbrief habe man erhalten, sagte eine Sprecherin des Bonner Landgerichts am 08.06.2021. Zunächst bleibe der für Dienstag geplante Verhandlungsauftakt als Termin bestehen, die zuständige Kammer berate aber über das weitere Vorgehen in dem Verfahren.
Besonders schwere Steuerhinterziehung steht im Raum
Dem Mann wird die Beteiligung an 69 Fällen von besonders schwerer Steuerhinterziehung im Zeitraum von Ende 2010 bis Mai 2016 vorgeworfen. Dabei sollten 461 Millionen Euro an Steuererstattungen fließen, aber nur eine Million Euro wurde ausgezahlt. Außerdem halten die Ankläger dem Mann gewerbsmäßigen Bandenbetrug in drei Fällen vor. Zuvor hatten "Süddeutsche Zeitung" und WDR berichtet. Sie zitieren aus dem Brief, demzufolge der Anwalt die Vorwürfe gegen seinen Mandanten als unzutreffend zurückweist.
Erster Cum-Ex-Strafprozess im Jahr 2020
Vor gut einem Jahr endete am Bonner Landgericht der erste Cum-Ex-Strafprozess mit einem Schuldspruch, zwei ehemalige britische Aktienhändler wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Vergangene Woche verurteilte das Gericht einen ehemaligen Banker zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren.
Milliardeneinbußen für den Staat
Bei "Cum-Ex"-Geschäften schoben Banken, Investoren und Fonds rund um den Dividendenstichtag Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch hin und her. Das Ziel: Steuern erstattet bekommen, die gar nicht gezahlt worden waren. Der Staat büßte dadurch Schätzungen zufolge insgesamt einen zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag ein.
BGH hat letztes Wort zu "Cum-Ex"-Geschäften
Lange war unklar, ob das nur dreiste Abzocke unter Ausnutzung eines Schlupflochs im Gesetz oder eine Straftat war. Nach den ersten Urteilen ist letzteres so gut wie sicher. Das finale Wort hierzu hat aber der Bundesgerichtshof am 15.06.2021.
Redaktion beck-aktuell, 9. Juni 2021 (dpa).
Aus der Datenbank beck-online
Rau, "Cum/Ex" und "Cum/Cum" abgeschlossene Aktiengeschäfte über den Dividendenstichtag, DStR 2021, 6
Wolf, Fragen der Einziehung bei Cum/Ex-Geschäften, NZWiSt 2020, 257
Knauer/Schomburg, "Cum/Ex-Geschäfte - kommen Strafrechtsdogmatik und Strafrechtspraxis an ihre Grenzen?", NStZ 2019, 305
Spengel/Eisgruber, Die nicht vorhandene Gesetzeslücke bei Cum/Ex-Geschäften, DStR 2015, 785
Aus dem Nachrichtenarchiv
Privatbank M.M. Warburg legt Revision gegen Cum/Ex-Urteil ein, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 23.03.2020, becklink 2015810
LG Bonn: Milde Bewährungsstrafen für britische Aktienhändler in Cum/Ex-Strafprozess, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 19.03.2020, becklink 2015769
Strafbarkeit im "Cum-Ex"-Skandal auch wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 12.03.2021, becklink 2019174
"Cum/Ex"-Ermittlungen gegen Deutsche Bank ausgeweitet, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 07.06.2019, becklink 2013354
"Cum/Ex"-Prozess vor LG Bonn: Privatbank M.M. Warburg widerspricht Angeklagtem, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 19.09.2019, becklink 2014173
"Cum/Ex"-Prozess vor LG Bonn: Angeklagter beschreibt Akteure als "Industrie", Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 19.09.2019, becklink 2014162