Ampel verschärft Corona-Pläne
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Angesichts dramatisch steigender Corona-Zahlen schärfen SPD, Grüne und FDP ihre Pläne für künftige Maßnahmen nach. Unter anderem soll die Möglichkeit von Kontaktbeschränkungen doch nicht abgeschafft werden. Zudem sollen Ungeimpfte ohne negativen Test keine Busse und Bahnen mehr benutzen dürfen – unabhängig von der weiter geltenden Maskenpflicht.

Wiese: Faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte

"Das sind erhebliche Einschränkungen für Ungeimpfte, die wir auch für richtig halten", sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Wiese zählte auf: "Wir werden den Ländern es ermöglichen, 2G plus-, 2G- und 3G-Maßnahmen je nach dem Infektionsgeschehen auf den Weg zu bringen. Hinzu kommen letztendlich Kontaktbeschränkungen gerade auch für Ungeimpfte und 3G letztendlich am Arbeitsplatz. Das ist faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte, der hier auf den Weg gebracht wird." Gefragt nach Vorwürfen der Zögerlichkeit sagte der SPD-Fraktionsvize: "Wir haben keine Scheu vor unpopulären Entscheidungen, und wir scheuen auch nicht das Handeln. Und wir sind uns der Verantwortung aktuell sehr bewusst. Und darum haben wir uns am Wochenende auf weitergehende Maßnahmen verständigt."

Kontaktbeschränkungen trotz Ende des Epidemie-Sonderstatusses

Ohne diese Verschärfungen der bisherigen Pläne wären bestimmte Maßnahmen nach dem Auslaufen des Rechtsstatus der epidemischen Lage von nationaler Tragweite zum 25.11.2021 nicht mehr möglich. Am Vorhaben, den Epidemie-Sonderstatus zu beenden, halten die drei koalitionsbildenden Parteien aber fest. "Die Möglichkeit, Kontaktbeschränkungen im privaten und im öffentlichen Raum anordnen zu können, soll in den Maßnahmenkatalog ergänzend aufgenommen werden", vereinbarten die möglichen Partner einer sogenannten Ampel-Koalition, mit deren Bildung fest gerechnet wird. Grünen-Chef Robert Habeck erläuterte in der ARD: "Kontaktuntersagung oder 2G-Regelung heißt in weiten Teilen: Lockdown für Ungeimpfte. Das ist die Vulgärübersetzung."

Öffnungsklausel für Bundesländer

Die Bundesländer sollen aber über eine Öffnungsklausel auf Beschluss ihres jeweiligen Landtags bestimmte Maßnahmen beibehalten können. So sollen sie etwa Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie Versammlungen untersagen oder beschränken, das Betreten von Gesundheitseinrichtungen verbieten, Verkauf und öffentlichen Konsum von Alkohol verbieten sowie Hochschulen schließen können. Nicht mehr möglich sein sollen Ausgangs- oder Reisebeschränkungen, die Untersagung oder Beschränkung von Gastronomie und Hotellerie sowie von Handel und Gewerbe. Auch die Untersagung oder Beschränkung von Sport wäre dann nicht mehr möglich. Die Öffnungsklausel für die Länder soll einerseits dazu dienen, dass regional unterschiedliches Infektionsgeschehen sehr gezielt bekämpft werden kann, und andererseits die Verantwortung auch dort von der Exekutive zurück in die Parlamente verlagern.

3G im ÖPNV und Homeoffice-Angebot

Im öffentlichen Nah- und Fernverkehr soll künftig zusätzlich zur Maskenpflicht die 3G-Regel gelten: "Wer ein öffentliches Verkehrsmittel nutzt, muss dann entweder geimpft, genesen oder getestet sein", wurde erläutert. Für die Befristung der Maßnahmen hatten SPD, Grüne und FDP bisher als Enddatum den 19.03.2022 vorgesehen. Nun gibt es eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit: "Der Bundestag wird ermächtigt, bis zum 19.03.2022 durch einen Beschluss die Geltungsdauer der Vorschriften um maximal drei Monate zu verlängern." Wieder eingeführt werden soll die ausgelaufene Pflicht für Arbeitgeber, ihren Arbeitnehmern ein Angebot für die Arbeit im Homeoffice zu machen. Dies geht aus einem der dpa vorliegenden Entwurfstext aus dem SPD-geführten Arbeitsministerium hervor. Dies ist aber Teil des Gesetzentwurfs für die 3G-Regeln am Arbeitsplatz.

Bundestag soll am Donnerstag entscheiden

Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes ist in den Bundestag bereits eingebracht. Die jetzt am Wochenende vereinbarten Verschärfungen müssen also nachträglich eingefügt werden. An diesem Montag steht die zum Gesetzgebungsverfahren gehörende Anhörung von Experten an. Am Donnerstag soll der Bundestag dann abstimmen. "Das Gesetz kriegt jetzt eine neue Rechtsgrundlage, eine sicherere Rechtsgrundlage", sagte Habeck. "Wir nehmen nur die Möglichkeit weg: flächendeckenden Lockdown ohne Unterscheidung für Geimpfte und Ungeimpfte." Zahlreiche Kritiker besonders aus der Wissenschaft, aber auch Ländergesundheitsminister der Grünen hatten in den letzten Tagen das Vorhaben gerügt, auf Instrumente wie Kontaktbeschränkungen gänzlich zu verzichten. Die Unionsfraktion hatte angekündigt, im Bundestag eine Verlängerung des Epidemie-Status zu beantragen, um ein Ende der Kontaktbeschränkungen zu verhindern.

Streeck und Lauterbach befürworten Beschränkungen

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck sagte der dpa: "Wir werden nicht darum herumkommen, dass wir in gewisser Weise wieder Kontaktbeschränkungen haben werden und dass man Großveranstaltungen in dieser Form vielleicht nicht mehr durchführen kann – oder wenn, dann nur unter strengen Auflagen." Eine Möglichkeit seien Veranstaltungen mit einem PCR-Test für Ungeimpfte und einem Antigen-Schnelltest für Geimpfte und Genesene, erläuterte der Direktor des Virologie-Instituts der Universität Bonn. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist persönlich aber der Überzeugung, dass "eine sehr strenge 2G-plus-Regelung bei Veranstaltungen und 2G überall" wirkungsvoller sei als Kontaktbeschränkungen, wie er in der "Bild"-Sendung "Die richtigen Fragen" sagte. 2G meint: Zutritt nur für Geimpfte und Genesene – 2G plus: nur für diese Gruppe, wenn sie zusätzlich getestet ist. "Das entspricht für die Ungeimpften einer Art Lockdown", erklärte Lauterbach.

Giffey fordert Auskunftsrecht für Arbeitgeber

Der geschäftsführende Kanzleramtschef Helge Braun zeigte sich in der "Bild"-Sendung einverstanden mit einem Verzicht auf Ausgangssperren, da man sie mit Sicherheit nicht mehr brauchen werde. Vor allem die FDP hat sich bisher gegen ihrer Ansicht nach zu weitgehende Beschränkungen gestemmt. Parteichef Christian Lindner sagte den Sendern RTL und ntv: "Für Geimpfte muss es weiterhin die Möglichkeit für das gesellschaftliche Leben geben – alles andere wäre unverhältnismäßig." Berlins SPD-Landeschefin Franziska Giffey forderte unterdessen, dass Beschäftigte vorlegen müssen, ob sie geimpft, genesen oder getestet sind. Es müsse ein auf Bundesebene klar definiertes Auskunftsrecht für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber geben, sagte Giffey am Montag im Inforadio vom rbb: "Jede Gaststätte, in die Sie kommen, fordert von Ihnen den Impfnachweis. Und die Arbeitgeber durften das bisher nicht. Das muss sich ändern." In Schulen und Einrichtungen gebe es klare Kontrollen, das müsse "auch im Arbeitsleben umgesetzt werden". Nur so könnten die Arbeitgeber Schutzmaßnahmen umsetzen, so Giffey.

Inzidenz über 300 gestiegen

Die Pandemie ist in den vergangenen Wochen außer Kontrolle geraten. Nach RKI-Angaben hat die Zahl der Infektionen inzwischen die Marke von fünf Millionen überschritten. Die Sieben-Tages-Inzidenz je 100.000 Einwohner stieg am Montag auf den Rekordwert von 303,0. An der Spitze stand Sachsen mit 754,3. Lauterbach warnte bei "Bild": "Wir werden in drei oder vier Wochen eine so hohe Fallzahl haben, dass wir die Intensivstationen komplett überlastet haben. Wir werden die Patienten von einer Stadt zur nächsten fliegen müssen." Dabei gehe es um Menschen, "die jetzt schon infiziert sind". "Das kriegen wir nicht mehr abgewendet."

Redaktion beck-aktuell, 15. November 2021 (dpa).