In Art. 3 GG steht derzeit: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Das Diskriminierungsverbot entstand mit Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus und sollte rassistische Diskriminierung verhindern. Kritiker bemängeln aber, dass die Verfassung mit der bisherigen Formulierung auch die Vorstellung transportiert, dass es tatsächlich menschliche Rassen gibt.
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, hatte sich im Vorjahr gegen eine Streichung des Begriffes ausgesprochen. Dieser erinnere an die deutsche Geschichte, vor allem "an die Verfolgung und Ermordung von Millionen Menschen, in erster Linie Jüdinnen und Juden; an die Schrecken der Schoa", schrieb er in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Streiche man diese Erinnerung aus der Verfassung, "werden wir sie irgendwann auch aus unserem Gedächtnis streichen."
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Dirk Wiese, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Mütter und Väter des Grundgesetzes hätten diesen Passus damals als klares Zeichen gegen die Rassenideologie der Nationalsozialisten formuliert. "Sprachlich muss er im Lichte seiner Zeit gesehen werden und würde heute sicher anders formuliert werden", fügte er hinzu. Dennoch gehe von ihm eine klare Schutzfunktion aus, die bei jeder neuen Formulierung bedacht werden müsse. Insofern sei es richtig, hier Bedenken aus der Zivilgesellschaft sehr ernst zu nehmen und nicht vorschnell zu handeln.
Streichung juristisch kompliziert
Die Union begrüßte am Freitag die Entscheidung der Koalition. Der Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ansgar Heveling (CDU), sagte der "Rheinischen Post": "Es ist gut, dass bei der Ampel die Vernunft gesiegt hat. Für zwanghafte Symbolpolitik mit unabsehbaren juristischen Folgen ist unser Grundgesetz zu schade." Laut der "Rheinischen Post", die zuerst darüber berichtet hatte, ist einer der Gründe für die aufgegebene Streichung eine zu komplizierte juristische Umsetzung.
Ähnlich äußerte sich auch der Rechtsexperte der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU): Der Versuch, das Grundgesetz an dieser Stelle aus seinem historischen Kontext herauszulösen, sei von vornherein "schädlich und zum Scheitern verurteilt" gewesen. "Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben ihn ganz bewusst in scharfer Abgrenzung von der verbrecherischen und menschenfeindlichen Politik der Nazis in den Verfassungstext geschrieben."
Die Ampel-Koalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag ursprünglich vereinbart, den Begriff "Rasse" aus dem Grundgesetz zu streichen. Die Union hatte eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes in der zurückliegenden Legislaturperiode verworfen und war dafür damals vor allem von den Grünen scharf kritisiert worden. Der Jurist Daniel Thym hatte damals erklärt: "Rechtlich hätte eine Grundgesetzänderung begrenzte Auswirkungen, weil der Rassebegriff sich auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der Grundrechtecharta und den Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union findet." Diese könnten Bundestag und Bundesrat jedoch gar nicht ändern. Eine solche Änderung des Grundgesetzes könne als Symbol aber dennoch wichtig sein.