Altersgrenze diskriminiert Schiedsrichter im Profifußball
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© Martin Meissner / dpa

Einem Schiedsrichter steht eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung zu, wenn er aufgrund des Erreichens der Altersgrenze von 47 Jahren nicht mehr in die Schiedsrichterliste des Deutschen Fußballbundes (DFB) aufgenommen worden ist. Das hat das Landgericht Frankfurt am Main entschieden und dem ehemaligen Spitzenschiedsrichter Manuel Gräfe einen Betrag von 48.500 Euro zugesprochen.

Elite-Schiedsrichter scheiden regelmäßig mit 47 Jahren aus

Der DFB hat die Hoheit über den Arbeitsmarkt und den Einsatz von Schiedsrichtern im deutschen Fußball (sogenanntes Ein-Platz-Prinzip). In seinen Regularien ist eine Altersgrenze für die Aufnahme in die Schiedsrichterlisten im Profifußball nicht vorgesehen. Jedoch scheiden Elite-Schiedsrichter regelmäßig im Alter von 47 Jahren aus. Davon wurde in den letzten fast vier Jahrzehnten keine Ausnahme gemacht. Der heute 49 Jahre alte Gräfe war seit vielen Jahren Schiedsrichter im Auftrag des DFB. Seit 2004 leitete er Spiele der ersten Bundesliga. Nachdem der Berliner 47 Jahre alt geworden war, nahm ihn der DFB ab der Saison 2021/2022 nicht mehr in seine Schiedsrichterliste auf. Vor dem LG Frankfurt am Main verlangte er vom DFB eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung und den potentiellen Verdienstausfall für die Saison 2021/2022 sowie die Feststellung, dass der DFB auch künftige Schäden (beispielsweise Verdienstausfall) zu ersetzen habe.

Entschädigung von 48.500 Euro zugesprochen

Das LG hat Gräfe jetzt eine Entschädigung in Höhe von 48.500 Euro wegen einer Diskriminierung aufgrund seines Alters nach dem Antidiskriminierungsgesetz zugesprochen. Für diesen Entschädigungsanspruch sei es ausreichend, wenn das Alter mitursächlich für die Beendigung der Schiedsrichterlaufbahn war. Ob auch andere Gründe eine Rolle spielten, sei rechtlich nicht maßgeblich.

Feste Altersgrenze bei 47 Jahren willkürlich

Wenngleich in den Regelwerken des DFB keine Altersgrenze für Schiedsrichter schriftlich fixiert sei, bestehe aber tatsächlich eine praktizierte Altersgrenze von 47 Jahren. Denn die Bewerber würden ab diesem Lebensjahr nahezu ausnahmslos nicht mehr berücksichtigt und der DFB habe die Bedeutung dieses Alters für das Ende einer Schiedsrichtertätigkeit auch öffentlich bekundet. Es sei im Ergebnis willkürlich und daher nach den Regeln des Antidiskriminierungsgesetzes nicht gerechtfertigt, auf eine feste Altersgrenze von 47 Jahren abzustellen. "Zwar hat das Alter aus biologischen Gründen eine statistische Relevanz für die Eignung als Schiedsrichter, weil mit ihm die Leistungsfähigkeit nachlässt und das Verletzungsrisiko steigt", so die Kammer. "Warum gerade das Alter von 47 Jahren für die Leistungsfähigkeit eines Elite-Schiedsrichters ausschlaggebend sein soll, wurde nicht dargelegt, etwa durch einen wissenschaftlichen Nachweis oder einen näher begründeten Erfahrungswert."

Adäquate Leistungstests vorzugswürdig

Und weiter: "Es ist nicht ersichtlich, weshalb die individuelle Tauglichkeit der relativ geringen Anzahl von Bundesligaschiedsrichtern nicht in einem an Leistungskriterien orientierten transparenten Bewerbungsverfahren festgestellt werden könnte." Adäquate und gegebenenfalls wiederholte Leistungstests und -nachweise seien gegenüber einer starren Altersgrenze vorzugswürdig.

Entschädigung mit Sanktionscharakter

Für die Höhe der Entschädigung war nach der Urteilsbegründung unter anderem maßgeblich, dass das Antidiskriminierungsgesetz Sanktionscharakter hat. Die Richter beziehungsweise die Richterin befanden zudem: "Die Benachteiligung des Klägers wiegt grundsätzlich schwer, weil sie von dem wirtschaftsstarken und eine Monopolstellung innehabenden Beklagten bewusst, (…) und ohne Rechtfertigungsansatz erfolgte."

Begehrte Zahlung von Verdienstausfall abgelehnt

Ohne Erfolg blieb jedoch die Forderung des Klägers auf Ersatz von materiellen Schäden, insbesondere auf Zahlung von Verdienstausfall. Insoweit wurde seine Klage gegen den DFB abgewiesen. "Der Kläger hat nicht dargetan, dass er ohne die Altersgrenze tatsächlich bei der Listenaufstellung berücksichtigt worden wäre", befanden die Richter. Dafür hätte er nicht nur erklären und unter Umständen beweisen müssen, "dass er nicht nur für die Stelle geeignet, sondern vielmehr der ,bestgeeignetste‘ Bewerber war." Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht.

47 Jahre künftig nur noch Orientierungspunkt?

Einen Tag vor dem Gerichtsurteil hat der frühere WM-Unparteiische Felix Brych aus München angekündigt, er wolle noch mit 48 über diesen Sommer hinaus in der Bundesliga pfeifen. DFB-Schiedsrichterchef Fröhlich brachte kürzlich eine Aufweichung ins Gespräch. Die 47 Jahre sollen nur noch ein Orientierungspunkt sein.

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.01.2023 - 2-16

Redaktion beck-aktuell, 25. Januar 2023 (ergänzt durch Material der dpa).