Informationsmaterial und Hinweise auf Beratungsmöglichkeiten durch Ausweisstellen
Der Gesetzentwurf der Gruppe um Baerbock sieht vor, dass Bürger künftig bei einem Besuch einer Ausweisstelle Informationsmaterialien erhalten und aktiv auf Beratungsmöglichkeiten hingewiesen werden. Jeder könne sich vor Ort in den Ausweisstellen oder jederzeit online in das Register eintragen. Die Entscheidung könne eigenständig geändert werden.
Hausärzte sollen Patienten zu Organspenden ermutigen
Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass Hausärzte Patienten bei Bedarf aktiv alle zwei Jahre über die Organ- und Gewebespende beraten und sie zur Eintragung ins Online-Register ermutigen.
Gegenentwurf zu Spahns "doppelter Widerspruchslösung"
Die Parlamentarier stellen sich damit deutlich gegen eine ebenfalls fraktionsübergreifende Gruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Diese hatte Anfang April 2019 einen Gesetzentwurf für eine "doppelte Widerspruchslösung" vorgestellt. Das hieße, dass künftig alle Volljährigen in Deutschland grundsätzlich als Spender gelten. Man soll dazu aber noch "Nein" sagen können. Sonst wäre – als doppelte Schranke – noch bei Angehörigen nachzufragen.
Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßt neuen Vorstoß
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte, dass die Gruppe um Baerbock auf eine ausdrückliche Entscheidung zur Organspende setze. Im Gegensatz dazu mache die Widerspruchslösung jeden automatisch zum Spender. "Es wird gehofft, dass der Bürger sich mit der Organspende nicht beschäftigt und schweigt", kritisierte Vorstand Eugen Brysch. "Schweigen heißt aber nicht Zustimmung. So wird das Misstrauen in der Bevölkerung eher verstärkt." Unabdingbar sei vielmehr eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema. Dazu brauche es eine sachliche, neutrale und ergebnisoffene Aufklärung und Beratung. Zudem müsse klar sein, dass jede Entscheidung respektiert werde, egal wie sie ausfällt – auch, wenn sich jemand noch nicht entscheiden möchte.
Hintergrund: Zu wenig Spender
Über die Entwürfe zu möglichen neuen Regeln soll der Bundestag ohne Fraktionsvorgaben entscheiden. Gemeinsames Ziel beider Initiativen ist es, angesichts von fast 10.000 Patienten auf den Wartelisten zu mehr Organspenden zu kommen. Nach langem Abwärtstrend stieg deren Zahl im Jahr 2018 erstmals wieder. Bisher sind Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärtem "Ja" erlaubt. Viele Menschen entscheiden sich aber nicht. Unabhängig von der Debatte gelten seit kurzem neue Regeln, um Bedingungen für Organspenden in Kliniken zu verbessern -– mit mehr Geld und mehr Freiraum für Transplantationsbeauftragte.
Auch Spahn für mehr Aufklärung
Spahn begrüßte die Debatte über das Thema. Bei dem Entwurf handele es sich nicht um Widerstand gegen ihn, sondern um einen weiteren Vorschlag, um die Zahl der Organspender zu erhöhen. Er selbst sei vor Jahren auch noch gegen eine Widerspruchslösung gewesen. Die Anstrengungen der vergangenen Jahre hätten aber nicht zu mehr Organspenden geführt. Es müsse auch mehr Aufklärung geben, allerdings von Ärzten und nicht wie in Baerbocks Entwurf vorgesehen beim Bürgeramt.
Brysch fordert staatliches Transplantationssystem
Patientenschützer Brysch monierte, beide Entwürfe gingen das zentrale Problem nicht an. "Das bestehende Organspendesystem ist intransparent und verunsichert viele Menschen." Daher müsse der Gesetzgeber tätig werden. "Das Transplantationssystem gehört in staatliche Hände." Der Staat dürfe sich bei der Verteilung von Lebenschancen nicht weiter von privaten Institutionen abhängig machen. Außerdem bräuchten Patienten auf Organ-Wartelisten mehr Rechtssicherheit. "Denn bis heute ist unklar, ob Zivil-, Sozial- oder Verwaltungsgerichte zuständig sind, wenn Entscheidungen überprüft werden müssen."