Altbundespräsident Roman Herzog ist gestorben

“Durch Deutschland muss ein Ruck gehen.“ Wer an den früheren Bundespräsidenten Roman Herzog denkt, erinnert sich vor allem an diese Worte aus seiner “Berliner Rede“ im April 1997. Damals wollte Herzog die Republik aus ihrer Reform-Lethargie wach rütteln. Ob er mit seinem Aufruf etwas änderte, ist umstritten.

“Ruck-Präsident“ galt als Mahner für Erneuerungen

Seitdem galt Herzog, der von 1994 bis 1999 siebter Bundespräsident war, als Mahner für Erneuerungen. Als Alt-Bundespräsident äußerte er sich bis ins hohe Alter hinein zu gesellschaftspolitischen Themen. 2014 erschien sein letztes Buch, in dem er sich mit den Risiken und Chancen des europäischen Einigungsprozesses auseinandersetzte. Nun ist der “Ruck“-Präsident im Alter von 82 Jahren gestorben. Dass der Sohn eines Archivars deutsches Staatsoberhaupt wurde, war nicht Ergebnis einer langen Parteilaufbahn, sondern einer Karriere zunächst als Jurist und dann in Staatsämtern auf Landesebene. 1970 trat der Staatsrechtler in die CDU ein und begann in Rheinland-Pfalz eine politische Karriere. Von 1978 bis 1983 war Herzog erst Kultus- und dann Innenminister in Baden-Württemberg, bis er an das Bundesverfassungsgericht wechselte, dessen Präsident er 1987 wurde.

Herzog war stets ein unbequemer Ratgeber

Als Bundespräsidenten-Anwärter war Herzog zunächst Ersatzmann. Denn die Union hatte ursprünglich den sächsischen Justizminister Steffen Heitmann (CDU) als Kandidaten in die Bundesversammlung schicken wollen. Dieser schoss sich dann allerdings mit umstrittenen Äußerungen selbst aus dem Rennen. Im dritten Wahlgang wurde Herzog 1994 mit den Stimmen von Union und FDP zum siebten Bundespräsidenten gewählt. Auf eine zweite Amtszeit verzichtete er 1999, weil Schwarz-Gelb die Mehrheit in der Bundesversammlung verloren hatte. Mit unverblümter Sprache und Sinn für gezielte Provokation blieb Herzog auch nach seiner Bundespräsidentschaft Ratgeber, Anreger und Kritiker in der Politik. Warnungen vor einer “Rentnerdemokratie“ brachten Herzog 2008 mächtig Ärger ein. Er löste aber damit eine Debatte über Generationengerechtigkeit aus, die lange anhielt.

Bis zuletzt als politischer Buchautor aktiv

2009 rief er zu einer Diskussion über die Soziale Marktwirtschaft auf. “Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat Auswüchse, Missstände und Defizite ans Tageslicht gebracht“, stellte er fest. 2012 kritisierte Herzog die Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen als zu niedrig. 2014 erschien sein letztes Buch mit dem Titel “Europa neu erfinden - Vom Überstaat zur Bürgerdemokratie“. Darin warnte er, die EU sei dabei, das Vertrauen der Menschen zu verlieren. “Die bedeutsamste Schwächung droht der EU gegenwärtig von den Menschen, für die sie eigentlich da ist und da zu sein hat: von ihren Bürgern.“ Herzog tippte das Buch auf einer Schreibmaschine - täglich drei Seiten - in seinem Arbeitszimmer auf der malerischen Götzenburg nahe Heilbronn.

Auch Gauck würdigte Verdienste Herzogs

Von zweien seiner Nachfolger wurde Herzog 2015 für sein Lebenswerk gewürdigt. Von Altbundespräsident Horst Köhler erhielt er in Freiburg den Ehrenpreis der dort ansässigen Hayek-Stiftung. Herzog habe sich stets für die Freiheit eingesetzt, sagte Bundespräsident Joachim Gauck in der Laudatio. Er habe sich um sein Land verdient gemacht. Noch im April 2016 warf Herzog den etablierten Parteien vor, die Alternative für Deutschland (AfD) nicht hart genug zu bekämpfen. Es helfe nicht, “um diesen politischen Gegner herumzutanzen, als ob man ihn am Marterpfahl hätte“, sagte Herzog damals der “Heilbronner Stimme“. Als Vorbild nannte er die CSU: “Die lässt rechts von sich wenig Platz. Entsprechend schwach ist die AfD in Bayern.“ Herzog rechnete damit, dass die AfD langfristig untergehen wird. Kritisch äußerte sich Herzog über Merkels Regierungsstil: Die Kanzlerin begründe ja nichts, “das ist eine gewisse Schwäche ihrer Politik“.

Redaktion beck-aktuell, Bettina Grachtrup, 10. Januar 2017 (dpa).

Mehr zum Thema