Aktiver Haken – BGH entscheidet Cookie-Streit
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Der Bundesgerichtshof erlaubt Internetanbietern das Setzen von Cookies nur nach aktiver Einwilligung des Nutzers. Das entschied der I. Zivilsenat mit Urteil vom 28.05.2020. Allein durch die Möglichkeit, einen bereits ausgewählten Cookie wieder abzuwählen könne nicht sichergestellt werden, dass sich Verbraucher bewusst für das Akzeptieren eines Cookies entscheiden.

Gesetzter Haken

Hintergrund war ein Streit zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Planet49, einem Anbieter von Online-Gewinnspielen. Bei einem Gewinnspiel war ein Haken zur Zustimmung des Einsatzes von Cookies zu Werbezwecken vorausgewählt und konnte abgewählt werden. Dies mahnte die Verbraucherzentrale ab.

Richtlinienkonforme Auslegung

Nachdem die Vorinstanzen sich uneins waren, legte der BGH dem Europäischen Gerichtshof mehrere Fragen zur Auslegung europäischer Richtlinien vor. Der Gerichtshof war im letzten Herbst bereits zu dem Schluss gekommen, dass nach europäischem Datenschutzrecht nur eine aktive Einwilligung Verbraucher nicht benachteilige und sicherstelle, dass sie sich bewusst entscheiden könnten. Dem folgte der I. Zivilsenat und legte, nach den Worten des Vorsitzenden Richters Thomas Koch, das deutsche Telemediengesetz nach den Vorgaben der seit 2018 geltenden EU-Datenschutzgrundverordnung aus. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der Vorsitzende mit Blick auf die im Telemediengesetz geregelte Widerspruchslösung bereits angedeutet, dass das deutsche Recht gegebenenfalls richtlinienkonform fortzubilden sein werde. Die reine Möglichkeit durch Entfernen des Hakens zu widersprechen, genügte dementsprechend nicht.

Medienrechtler sieht wenig datenschutzrechtlichen Gewinn

Der Medienrechtler Tobias Gostomzyk von der TU Dortmund warnte in einer ersten Stellungnahme für beck-aktuell vor übertriebenen Hoffnungen hinsichtlich der praktischen Bedeutung der Entscheidung: "Die Cookie-Entscheidung des BGH ist erfreulich, hat aber im wahrsten Sinne des Wortes einen Haken: Zwar soll es auf eine aktive Einwilligung ankommen, doch wird diese im Netz regelmäßig reflexartig erteilt. Fraglich ist deshalb, ob es sich im Ergebnis wirklich um einen Sieg für den Verbraucherschutz handelt. Dagegen ist die informierte Einwilligung eine Fiktion. Das belegen inzwischen diverse Studien. Sie kommen zum Ergebnis, dass Datenschutzerklärungen nicht nur selten gelesen werden. Selbst wenn sie gelesen werden, werden sie überwiegend nicht oder nur teilweise verstanden. Allein auf aktives Klicken zu setzen, führt also zu wenig datenschutzrechtlichem Gewinn."

Verbraucherzentrale: Lange überfällige Entscheidung

Der Vorsitzende des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, bewertete die Entscheidung positiv und bezeichnete sie als lange überfällige Klarstellung. Er warnte allerdings vor eine Abschwächung des Schutzes in den laufenden Verhandlungen innerhalb der EU über Neuerungen zum Datenschutzrecht: "Nun muss die EU dafür sorgen, dass es bei der aktuell verhandelten europäischen ePrivacy-Verordnung zu keiner Abschwächung dieser strengen Regelungen kommt. Den Vorschlag der Kroatischen Ratspräsidentschaft, das Nutzer-Tracking künftig auf der Rechtsgrundlage einer Interessenabwägung zu erlauben, lehnen wir ab."

Bitkom äußert scharfe Kritik am Urteil

Der Branchenverband Bitkom kritisierte dagegen das Urteil scharf. Es treffe die Webseitenbetreiber schwer und es nerve viele Internetnutzer, erklärte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Alle Cookies, die als nicht unbedingt erforderlichen gelten, dürften jetzt nur noch mit aktiver Einwilligung gesetzt werden. "Welche Cookies damit gemeint sind, bleibt jedoch unklar. Dieser Unsicherheit wird für alle Seiten zu höheren Aufwänden führen." Für Internetnutzer entstehe mit dem BGH-Urteil ein weiterer Komfortverlust: "Sie müssen häufiger Banner wegklicken oder Häkchen setzen, bevor sie die gewünschten Inhalte sehen." Dabei dienten Cookies den Webseitenbetreibenden und Usern gleichermaßen, etwa bei Warenkörben in Online-Shops oder um das Webseitenerlebnis für Nutzer zu verbessern.

BGH, Urteil vom 28.05.2020 - I ZR 7/16

Redaktion beck-aktuell, 28. Mai 2020 (ergänzt durch Material der dpa).